Endgame, Kampnagel



Das Bühnenbild spielt die Hauptrolle

In der Kampnagelhalle steht ein weißer 8,5 Meter hoher Zylinder. In ihm findet das "Endspiel" von Hamm und Clov statt. Die Zuschauer verteilen sich über ein Stahlgerüst über drei Etagen und sind nur durch Gucklöcher Zeugen des Geschehens. Ihre Köpfe werden so zum Teil des Bühnenbildes. Sie verfolgen das Machtspiel der beiden Eingeschlossenen nur mit ihren Augen und Ohren. Ihr Körper ist abgeschnitten. Ihre Bewegungsfreiheit ist ebenso eingeschränkt wie ihre Handlungsfähigkeit. Ihre Hände und Beine sind ihnen quasi genommen. Sie werden dadurch wie Hamm und Clov in einen engen Rahmen eingezwängt und können sich einfühlen in ihre Lebenshölle. Hamm ist blind und gelähmt. Sein Diener Clov ist gehbehindert und ihm ausgeliefert. Hamm kommandiert Clov ständig herum. Clov lässt sich das gefallen. Er könnte fliehen, aber er bleibt bei Hamm. Sie sind in einer gegenseitigen Abhängigkeit gefangen, weil sie genau wissen, dass außerhalb ihrer Hölle nur die nächste wartet. Teil ihrer Hölle sind auch die Eltern von Hamm: Nell und Nagg. Sie vegetieren in Kanalrohren vor sich hin, erinnern sich noch an schönere Zeiten und hoffen doch nur noch auf eine Fütterung durch Clov.
Schon zu Beginn ist klar, dass das Ende gekommen ist, dennoch spielen die beiden ihr Spiel immer weiter. Keiner mag den endgültigen Schlusspunkt setzen. Clov mag nicht gehen, Hamm mag nicht sterben. Der Zeitpunkt ist noch nicht gekommen, in dem der letzte Funke Hoffnung verschwunden ist.
Die bildende Künstlerin Tania Bruguera hat für Becketts Endgame zum ersten Mal Regie geführt. Mit ihren beiden Hauptdarstellern Brian Mendes und Jess Barbagallo lotet sie die Machtspiele konzentriert und texttreu aus. Die eigentliche Hauptrolle spielt hier aber ihr eindrucksvolles Bühnenbild. Mit seiner bezwingenden Bildkraft dominiert es alles, was in der weißen Endzeithölle geschieht.
Birgit Schmalmack vom 14.8.17




Endgame Foto: Ricardo Castelo


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