Der Situation des Verliebens liegt ein besonderer Zauber inne: Die plötzlichen Gefühl- und Hormonüberschüsse sorgen dafür, dass das Gegenüber plötzlich als eine ganz einzigartige Persönlichkeit, die keines gleichen findet, wahrgenommen wird. In diesem Moment spielen Schubladen keine Rolle mehr. Klischeevorstellungen sind unwichtig geworden. Nur das Einzelwesen zählt. Diese Phase des Verliebens weitet den Blick und macht unempfänglich für normative, gesellschaftliche Grenzziehungen und ist damit der Anfang von wahren Verstehen des anderen.

Vielleicht könnte sich die Gesellschaft von dieser Haltung bei ihrer Diskussion um die Integrationsfähigkeit bestimmter Migrantengruppen ein wenig bedienen. Erst wenn der Mensch nicht mehr nur als Vertreter einer nationalen Gruppe sondern auch als Einzelperson gesehen werden kann, können vorschnelle Pauschalierungen vermieden werden.

Ich durfte zu Gast sein in den Küchen und Wohnzimmern von 42 deutsch-türkischen Paaren. Sie haben mir freimütig von den schwierigen und schönen Seiten ihrer Beziehung erzählt. Vertreten sind alle Altersstufen und Bildungsgrade. Unter ihnen befinden sich sowohl der Hafenarbeiter, der Psychiater, die Künstlerin als auch die Fließbandarbeiterin. Ihre ganz persönlichen Lebensgeschichten sollen dazu anregen, wieder den Blick für den einzelnen Menschen zu entwickeln und somit auch gesamtgesellschaftliche Probleme sensibler betrachten und besser verstehen zu können.

Ich selbst lebe seit 11 Jahren in einer Partnerschaft mit einem in Deutschland geborenen Türken, der mittlerweile rein statistisch gesehen nicht mehr zu ihnen zählt: Seit 2001 ist er deutscher Staatsbürger. Vielleicht steuerte mich also auch die persönliche Neugier, als ich immer größere Lust bekam, Geschichten von deutsch-türkischen Paaren in Deutschland zu erzählen. Doch eventuell war es auch einfach der zunehmende Unmut darüber, dass im Moment nur von solchen zu lesen ist, die im Drama enden. Doch wenn von Fehlentwicklungen zu berichten ist, dann gehören zu einer ausgewogenen Berichterstattung auch Geschichten von Paaren, die ihre eventuellen Schwierigkeiten überwunden haben. Wo abschreckende Beispiele zur Geltung kommen, sollten die Vorbilder auch Gelegenheit dazu haben.

Zahlenmaterial zu binationalen Ehen

Laut Statistischem Bundesamt hatte bei 16,5% der 396000 Paare, die sich 2004 das Jawort gaben, einer der Ehepartner nicht die deutsche Staatsbürgerschaft. Da war jede sechste Ehe. Jedes vierte Kind hatte mindestens einen ausländischen Elternteil. Diese Zahlen werden in Zukunft sicher noch steigen. In Großstädten liegen sie schon zurzeit wesentlich höher. So war in Berlin laut Pressemitteilung des Berliner Senates vom 13.4.05 jede vierte Ehe interethnisch und hatten 40 Prozent aller Kinder einen Migrationshintergrund. Die Art der Beziehungen, die Menschen in Deutschland eingehen, wird sich also in Zukunft immer weiter ausdifferenzieren.

Dieser Trend war in den vergangenen Jahrzehnten auch bei der Bandbreite der Lebensformen zu beobachten. Immer mehr Paare ver-zischten auf den Trauschein und leben in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen. Auch die Frage, ob sie zusammen Kinder bekommen wollen, stellen sie zur Diskussion. Auch die Geburt eines Kindes hat nicht zwingend eine Heirat zur Folge. Eine Ehe oder Partnerschaft dauert nur noch solange, wie die Partner es wünschen. Eine lebenslange Lebensgemeinschaft ist somit zu einer bewussten Entscheidung füreinander geworden. Die Scheidungszah-len in Deutschland sprechen eine deutliche Sprache. Fast jede zweite Ehe (2003: 43%) wird geschieden.

In diesen Trend zur größeren Variationsbreite fügt sich die Wahl eines Partners aus einem anderen Kulturkreis ein. Die Lieblingspartner der Frauen sind dabei Männer aus der Türkei. Das Statistische Bundesamt 2005 teilte mit, dass 4900 von ihnen einen Türken als Ehepartner wählten. Die Männer bevorzugten eher eine Partnerin aus Osteuropa. Eine Türkin nahmen nur knapp 1800 der Männer zur Ehefrau. Das Statistische Bundesamt geht in seinem Mikrozensus von 2006 für das Jahr 2005 von ca. 146830 deutsch-türkischen Ehepaaren aus. Im Vorjahr gab das Statistische Bundesamt deren Zahl noch mit 129000 Paaren an.

Bei diesen Statistiken ist zu berücksichtigen, dass die Zahlen nur diejenigen erfassen, die noch über ihren ausländischen Pass verfügen. Eingebürgerte Ausländer fallen hier nicht mehr ins Gewicht. Da es aber alleine im Jahre 2005 140731 Einbürgerungen gegeben hat, sagen die Zahlen alleine wenig aus. Denn die größte Gruppe unter den Eingebürgerten waren mit 39% Personen türkischer Herkunft. So besitzt mittlerweile jeder dritte Türkisch-stämmige einen deutschen Pass und ihre Zahl hat sich bis Ende 2004 auf 840000 erhöht. Somit fallen Staatsangehörigkeit und Herkunft zunehmend auseinander. Die Zahl der Ehen, in denen die Partner dieselbe Herkunft aber unterschiedliche Pässe haben, steigt stetig an. Genauso wie die Zahl der Paare, bei denen beide Partner dieselbe Staatsangehörigkeit besitzen, aber unter-schiedlicher Herkunft sind.

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