Protest Portraits



Jeder kann Pussy Riot werden

Kunst als Rebellion zu verstehen, ist den drei Künstler gemeinsam. Sie gehen dafür auf volles Risiko. Mascha Alechina von den Pussy Riot verschwand dafür zwei Jahre im Gefängnis.. Shahin Najati verließ nach einer Fatwa gegen ihn sein Heimatland Iran und emigrierte nach Deutschland. Oliver Frljic sieht sich regelmäßig bei Aufführungen seiner Inszenierungen in Kroatien, Polen oder auch Österreich mit Attascken und Klagen konfrontiert.
Branko Simic porträtiert diese drei Künstler in seiner neuen Produktion "Protest Portraits" auf dem Krass Festival auf Kampnagel. Den bühnengroßen Filmbildern der rebellischen Künstler stellt er drei junge Schauspieler gegenüber, die nicht nur die aufgezeichneten Interviewpassagen übersetzen, sondern auch erklären, kommentieren und durch ihre eigene Interpretation eigene Akzente setzen. Während Oliver Frljic seine Thesen ganz ruhig verträgt, herrscht in Tina Keserovic Wiedergabe die Aufgebrachtheit und Wut mit jugendlicher Ungebremstheit vor. Wenn Janina Rudenska erklärt, was Mascha in Moskau umtreibt, schwingt ihr eigener Wille die Welt durch Kunst zu verändern mit an. Nur Arash Marandi Stellt sich ganz in die Sache von Shahin, denn dessen Witz, Selbstironie und Charme braucht keine Verstärkung. Shahin merkt man selbst per Film die Getriebenheit in jedem Zirbeln seines Schnurrbartes an.
Die Live-Musikerin Sasana Bradaric gibt den Soundtrack dazu vor. Mal mit Kreischen der singenden Säge, mal melodisch mit der Geige, mal folkloristisch mit der Melodika. Dazu rütteln, klopfen, trommeln und gewittern die Schauspieler mit den einzelnen Platten der Metallrückwand.
Ihre T-Shirts entwickeln sich im Lauf des Abends zu Stricken, indem sie ihre Ärmel bis auf die doppelte Länge verlängern und verknoten können. Ihre Kragen werden zu Kapuzen, die sie zu Tarnkappen oder Mundschützern verwandeln können.
Zum Schluss sind die Regierungsvertreter der drei Länder Russland, Kroatien und Iran, gegen die die Künstler ihre Stimmen erheben, auf der Metall-Rückwand zu sehen. Die Schauspieler werfen kurzerhand die elektrischen Sägen an und schneiden sich ein Loch in die Metallplatten, durch das sie hindurchgehen können, mitten ins strahlende Licht der Gedankenfreiheit.
Genau diese gezielt gesetzten kleinen Ideen akzentuieren auf unaufgeregte und dennoch effektvolle Art die für sich sprechenden Texte der Künstler. Ein ausgereifter Abend, der von dem Zusammenspiel aller Akteure lebte.
Birgit Schmalmack vom 7.5.18




Protest Portraits © Mario Ilic


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Hauptsache Frei
Walking large, Kampnagel