Sekunden wie Jahre, Kampnagel



Kämpferische Powerfrauen unterm Kopftuch

Die Frauen marschieren über die Bühne, die wie ein Laufsteg in die Mitte zwischen die Zuschauertribünen verlegt worden ist. In grau-schwarzer Latzhosenmontur zu derben schwarzen Arbeiterstiefeln stecken sie im Stechschritt ihr Terrain ab. Männer kommen in dieser Welt nicht vor, sie brauchen sie anscheinend nicht. Aber auch entspannende, ruhige Momente fehlen. Das Leben dieser Frauen ist ein stetiger Kampf gegen die Widrigkeiten, die ihnen begegnen.
Zu verarbeiten gibt es in diesem Leben viel. Zu vergessen auch. Sie wollen sich nicht lange mit der Vergangenheit aufhalten; zu viel ist der Gegenwart und Zukunft zu beackern. Immer wieder schleppen sie Wassereimer an und kippen sich den Inhalt über den Kopf. Hektisch reiben sie sich die Hände um die Erinnerungen los zu werden.
In der Performance aus dem Iran zeigt Regisseur Hamid Pourazari keine unterdrückten Frauen, ganz im Gegenteil: Hier auf der Bühne agieren zehn kämpferische Powerfrauen, durchsetzungsfähig, zielstrebig, aktiv und energiegeladen. Er zeichnet Bilder eines düsteren, anstrengenden Lebens voller Arbeit, das die Frauen voller Energie anpacken. Es ist ein Abend geworden, der zahlreiche Gefühlszustände durchläuft und viele Geschichten erzählt, die jenseits der Sprache von jedem Zuschauer anders interpretiert werden können. Ein begeisterndes Performance-Kunstwerk von einem mutigen Regisseur und zehn hervorragenden Schauspielerinnen, das zum Glück für das Hamburger Publikum im Rahmen des Festivals "Wundern über Tanawo" zu sehen war.
Birgit Schmalmack vom 20.3.18




Sekunden wie Jahre Foto: Alborz Teymoorzadeh; Credits: ZH Magazine


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