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Das Nussknacker-Syndrom
Die lebensbedrohliche Krankheit einer wohlhabenden Frau führt direkt in einen Abgrund unserer kapitalistischen Gesellschaft, in der sich die Reichen ihre Gesundheit einfach kaufen können. Das Schicksal der bettelarmen Clara scheint besiegelt, als herauskommt, dass sie genau dieselbe seltene Blutgruppe wie die kranke reiche Frau hat. Diese braucht dringend eine Herztransplantation und Clara ist jung und gesund. Da sie ohne Eltern auf einer Müllkippe haust, hat sie wenig Möglichkeiten sich gegen die Machenschaften des Organhändlers zur Wehr zu setzen. Auch der Nussknacker, den dieser als Geschenk ihrer Eltern mitgebracht hat, taugt in der Rolle des rettenden Prinzen wenig, ist er doch aufgrund seiner fehlenden Beine nur ein gebrochener Retter. So verfällt Clara den Versprechungen des Organhändlers und begibt sich unter dem Vorwand ihre Eltern finden zu wollen, in die Großstädte dieser Welt, natürlich nur um am Ende auf den OP-Tisch zu landen. Wäre da nicht doch die Liebe als rettende Kraft. Zwar nicht Gestalt des Nussknackers sondern in Gestalt des Sohnes der reichen Frau, der sich spontan in Clara verliebt hat und sie retten will. Von Tschaikowskys Zuckermärchenballett ist bei Fredrik Rydmans Inszenierung wenig übrig geblieben. Wenige gesampelte Teile der Originalmusik haben es in seiner Relaoded Version geschafft. Der größere Teil bedient sich aus Elementen der Hip-Hop-, der Elektro- und der Popmusik. Modern Dance und Breakdance statt Ballett versetzen die Story ins Heute. Die Bühnenshow fährt alles auf, was an visuellen Einfällen aufzufahren ist. Beeindruckende Laser-, Licht- und Videoprojektionen versetzen in immer neue Welten. Claras Müllkippe besteht aus schräggestellten Kantenmodellen, die sowohl als Verstecke, Klettergerüst, Rutsche und Bühnenpodeste variantenreich eingesetzt werden können. Rydman vertraute jedoch leider der Verständlichkeit seiner Choreographie nicht. So engagierte er einen „Botschafter“, der allerdings eher zum Pausenclown wurde. Jede Tanzbewegung erklärte er mit lustigem schwedischen Akzent und zunehmenden Schweißtropfen. Dabei hätten ein paar Zwischentitel sicher gereicht, um das Publikum mit durch die verwickelte Geschichte zu nehmen. Doch Rydman ahnte vielleicht, dass er ihr ein paar Umdrehungen zu viel zugemutet hatte, um möglichst viel abzudecken. Die Show hat tänzerisch zwar sehr viel Beeindruckendes (besonders Ellen Lindblad als Clara erweist sich herausragende Tanzpersönlichkeit) zu bieten, kann es aber künstlerisch zu wenig konsequent ausschlachten. So bevorzugt Rydman eine Aneinanderreihung der Gags statt eines künstlerischen Gesamtkonzepts, in der Angst das Publikum bloß nicht zu überfordern oder zu langweilen. Birgit Schmalmack vom 8.1.18
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