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Nur die Kommunisten haben Ideale
Ernst Thälmann und Hugo Urbahns thronen weit über den Anderen. Der eine steht auf der Technikerbalustrade, der andere sitzt auf dem Vorbau des hinteren Eingangs. Die Bodenhaftung hat scheinbar selbst der volksnahe Ernst Thälmann verloren. Fast scheinen sie selbst überrascht über den Aufstand zu sein, der sich an 23. und 24.10.1923 in Hamburg entlud. Entsprechend chaotisch zeigten sich die Aufständischen auf den Straßen in Barmbek, bei denen 100 Menschen starben. Eigentlich war es als Auftakt zu einer großen Deutschland weiten Revolution geplant, doch schon am Abend des nächsten Tages war alles zu Ende.
In der Kneipe, die eher wie eine Kantine wirkt und in der sich die Besucher an Milch besoffen trinken, treffen sie alle aufeinander. Ruth Fischer, die erste weibliche KPD-Vorsitzende, Ernst Thälmann, Hugo Urbahns, aber auch der Kriegsheimkehrer Andreas, seine Frau Anna, ihr neuer Freund Ferdinand und die Moskauer Journalistin, die über die Aufstände Bericht erstatten soll. Die Kneipenwirtin lässt sich spontan mitreißen von der energiegeladenen Stimmung, die sich an diesem Abend entlädt und verlässt ihre Theke, um auf die Straße zu gehen.
Doch irgendwann stehen sie am Bühnenrand und fragen sich und das Publikum: Was ist ein Aufstand? Gibt es noch eine Arbeiterklasse? Würde ich mit aufstehen oder hätte ich eher Angst etwas dabei zu verlieren? Sie müssen sich eingestehen: Wir sind KünstlerInnen, wir machen Kunst und keinen Aufstand.
Greg Liakopoulos erzählt in seiner Abschlussinszenierung vom Barmbeker Aufstand. Er zeigt exemplarisch, wie sich drei der Kommunisten und einige zufällige Mitstreiter in diesen Tagen verhalten. Politische Ziele werden nicht genannt, sie bleiben für die Zuschauer ebenso im Dunklen wie für diejenigen, die sich anstecken lassen. Denn "nur Kommunisten hatten noch Ideale". Die heutigen Darsteller müssen feststellen, dass sie eher an Kunst statt an Weltverbesserung interessiert sind.
Diese zwei Tage der Hamburger Geschichte sind ein spannendes Thema für einen Theaterabend. Liakopoulos nutzt sie für eine Mischung aus historischer Faktendarstellung, fiktionalem Liebesdrama und Einschüben mit politischer Selbstbefragung. Sein Schauspielerteam (Amos Detscher, Jakob Immervoll, Antonia Jungwirth, Anna Klimovitskaya, Larissa Semke, Chris Menk, Martin Mutschler, Antonia Münchow) agiert durchweg souverän und zum Teil mit sehr individueller Zeichnung der Rollen. Doch so sehr der Abend sich auch um Fakten bemüht, bleibt er doch an der politischen Oberfläche, da er die Inhalte umgeht. So stellt er die These auf, dass die politischen Ziele uninteressant geworden sind, nur die persönlichen Beweggründe zählen noch. Selbst wenn jemand wie Kneipenwirtin mit auf die Straße geht, dann nur weil sie dieses Event der puren Lebensenergie nicht verpassen will. Das lässt seltsam unbefriedigt aus diesem Theaterabend gehen. Aber vielleicht war das genau die Absicht von Liakopoulos.
Birgit Schmalmack vom 1.2.17
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Blutmond von Liakopoulos.
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