Nur Juden dürfen lachen
Im feinen, schwarzen Frack kommen sie herein, stellen sich verteilt in den Raum und erzählen Witze. Spot auf einen von ihnen: "Was ist der kürzeste jüdische Witz? Auschwitz." Auf der Rückwand wird eingeblendet: Nur Juden dürfen lachen.
Trotzdem Glitzervorhang rundum an den Wänden, Sektkorken knallen und Musik darf auch nicht fehlen, wenn sich die Bürger:innenbühne des Lichthofs Gedanken über das Jüdischsein in Deutschland macht. Dafür stehen an diesem Freitag elf von ihnen auf der Bühne und demonstrieren eindrucksvoll eine Gemeinschaft der Vielfalt. Was das Jüdischsein ausmacht, wird auch am Ende des Abends nicht eindeutig geklärt sein, denn es ist für jeden von ihnen etwas Anderes. Für die eine ist es die Familie. Für die andere die Traditionen. Doch für alle der Humor, der wie Ilona es ausdrückt, die Rettung sein kann. Dieser Humor zieht sich auch durch den ganzen Abend. Immer gibt es die Ebene der feinen Ironie, die allen vermeintlich ernsthaften Recherchen unterlegt ist. Wenn zu Beginn nach dem jüdischen Gen geforscht wird oder nach der vermeintlich jüdischen Musik. Wenn der Mythos von Ahasver und Jesus aufgegriffen und Ahasver (Alona Konovalchuk) dem darbenden, das Kreuz hereinschleppenden Jesus (Benjamin-Lew Klon) das Wasser verweigert und dafür mit einem Fluch der immerwährenden Wanderung belegt wird. Wenn das Ensemble sich Klon gegenüber als Chor positioniert und behauptet: "Wir sind / Authentisch wir sind. / Echt wir sind nicht inszeniert." Während sie ihm völlig synchron ihren Text entgegen schmettern. Wenn Konovalchuk mit Tränen in der Stimme von ihrer Flucht aus der Ukraine erzählt und unvermittelt abbricht und fragt: "Hat euch die Geschichte gefallen? Eine schöne Opfergeschichte, arme Alona." Ihr Körper strafft sich: "Ich bin Schauspielerin. Ihr könnt mir jeden Text geben."
Die Uraufführung dieses Abends lag vor dem 7. Oktober, in der aktualisierten Version hat er jedoch mittlerweile Spuren hinterlassen. Ben liest am Schluss aus der Whatsappgruppe des Ensembles vor, das sich ausgerechnet am Vorabends des Anschlags zu einem gemeinsamen Fest getroffen hatte: "Wie schön, dass Ihr da wart, Herzchen, Herzchen. – Israel ist von der Hamas angegriffen worden. – Tolle Fotos! Lass uns das Treffen bald wiederholen. – Brennendes Herz, schwarzes Herz."
Die Regisseure Ron Zimmering und Dor Aloni haben mit ca. 60 Hamburger:innen die Themen für diesen Abend gesammelt und dann mit ihrem Cast zu einer "Judenrevue", wie Zimmering es ironisch benennt, in Szene gesetzt. Das ist ihnen gelungen. Unter dem provokanten Titel "Juden Juden Juden" setzen sie auf Sichtbarkeit und auf Offenheit. Oder wie Eli es ausdrückt: Auf Stärke, die sich auch gerade in ihrer Verletzlichkeit zeigt. Es wurde ein Abend, der die große Unterschiedlichkeit der jüdischen Mitbürger:innen in Hamburg zeigt. Zimmering und Aloni schaffen es, dass das Ensemble als Gemeinschaft erscheint und dennoch jede und jeder seine ganz eigene Persönlichkeit zum Ausdruck bringen kann. Sie finden für alle von ihnen eine Form der Selbstpräsentation, die den Zuschauer:innen das Gefühl vermittelt, elf Menschen persönlich kennen gelernt zu haben, die in keine Klischeevorstellung passen. So wird man hinterrücks und geschickt an den eigenen Erwartungen an einen Abend mit dem Titel "Juden, Juden, Juden" gepackt.
Birgit Schmalmack vom 24.6.24
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