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Verpiss dich auf brasilianisch

Funk you, fluctoplasma Fotocredit: G2 Baraniak


Wer will von dir dein Einkommen genannt bekommen? Dein deutsches Date oder die Ausländerbehörde? Wer will, dass du bar bezahlst? Dein deutsches Date oder die Ausländerbehörde? Das Publikum rät meistens richtig, doch in diesen beiden Fällen lag es falsch: In beiden Fällen war es das deutsche Date. Die Performerinnen Analy Nágila, Priscila Vaz zusammen mit DJ Rô haben sich während ihrer Party-Performance im Rahmen des fluctoplasma-Festivals im MARKK allerlei Spiele für das Publikum ausgedacht. Immer wenn die Sirene ertönt, muss das Funk-Party-Volk kurz Pause machen, sich auf den Boden setzen und den Performances zuschauen. Mal geht es darum, worauf die eigene Vagina mit Freude reagiert. Turnt sie der Satz "Ich habe einen europäischen Pass" oder "Ich will dich abschlecken" eher an? Oder sie performen den offensiven Rap-Text auf der kleinen Bühne mit entsprechenden Bewegungen. Doch in der vorletzten Performance sprechen die beiden ein Thema an, dass gewaltig auf die Stimmung drücken kann: Auf den Pappschildern steht: "Alle 2 Tage stirbt eine Frau in Deutschland an den Folgen partnerschaftlicher Gewalt". Das hält sie allerdings keineswegs davon ab, zu dem empowernden Text ihres Funksongs das "Verpiss dich!" auf ihre Weise zu zeigen. Sie lassen ihre Hüften kreisen und ihren Po wackeln, um zu demonstrieren, dass sie die einzigen sind, die über ihren Körper bestimmen dürfen.
Der brasilianische Funk ist eine Musikrichtung, die in den Favellas geboren wurde und der sich zu einer Emanzipationsbewegung von Frauen entwickelt hat, im Zuge derer sie nicht nur das Musikgeschäft sondern auch die selbstbestimmte Auslebung ihrer Sexualität für sich erobert haben. Sie wollen nicht länger ein Objekt sondern das Subjekt bei der Ausgestaltung ihres Sexuallebens sein. Sie begehren auf gegen die Männer dominierte Welt, auch wenn und gerade wenn ihre Mittel der Eroberung zunächst so aussehen mögen, als wenn sie nur die Wünsche der Männer erfüllen. Sie fordern jedoch, dass sie sich keinerlei Zwängen unterwerfen müssen sondern alles tun dürfen, um ihrer Lust Ausdruck zu verleihen und dabei keineswegs ein Angebot an die Männer unterbreiten. Ganz im Gegenteil: Verpiss dich! Oder Funk you!
Birgit Schmalmack vom 1.11.23