Textversion
Sie sind hier: Startseite

Bodenloser Handel

Wem gehört das Land, Lichthof (Foto: Fabian Raabe)

Die Anforderungen an die Landwirtschaft sind schier unerfüllbar: Rentabler Anbau von erschwinglichen, konkurrenzfähigen Nahrungsmitteln, Nachhaltigkeit, Erhalt des Bodens, Verschönerung der Landschaft, Naturschutz und natürlich klimaneutral bzw. sogar Natur regenerierend. Erinnert an eine Eierlegende Wollmilchsau. Kein Wunder, dass die Bauern auf die Straße gehen. Doch was hinter den heutigen Anforderungen an die Landwirtschaft außerdem noch steht, das untersucht Helge Schmidt in seiner neusten Arbeit "Wem gehört das Land", die jetzt auch seine Hamburg-Premiere feierte. Denn in Zeiten von Finanzkrise und Inflation wird zunehmend auch der Boden, auf dem die Bauern ihre Wirtschaft betreiben, zu einem Anlage- bzw. Spekulationsobjekt. Land-Grabbing gibt es nicht nur im Globalen Süden, sondern auch in Deutschland. Immer mehr Firmen und Anleger kaufen größere Ländereien auf, um sie in Zukunft zu Geld machen zu können. So werden auch Bauern zu Pächtern, weil sie in Schulden getrieben, ihre Ländereien verkaufen müssen. Eine neue Form des Großgrundbesitzertums scheint auch in Deutschland auf dem Vormarsch. Ansonsten gilt: Wachse oder weiche. Kleinbäuerliche Betriebe gehen zunehmend pleite, während nur noch Großbetriebe im Rennen um die besten Preise und höchsten Subventionen mithalten können.

Schmidt hat für sein Recherchestück mit vielen Expert:innen gesprochen und ihre Aussagen zusammen mit Erfahrungsberichten von Betroffenen auf der Bühne zu 70 prall gefüllten Minuten komprimiert. Man meint alles schon einmal irgendwo gehört zu haben, aber noch nie so verdichtet zu einem Abend. Da ist von modernem Kolonialismus die Rede, von grenzenloser Überforderung der vereinzelten Kleinbauern, von Enteignung durch Vermögende, von der eigentlichen Verpflichtung, Eigentum auch sinnstiftend zu nutzen und von viel Mist, Resignation und Ohnmacht. Sind Kleinbauern tatsächlich die Lösung, wie einer der Experten vorschlägt? Ist die Natur noch zu retten oder der Zug längst abgefahren? Ist die romantisierende Vorstellung von Städtern, in der Natur die heile schöne Welt zu entdecken, nicht schon seit den Siebzigern Geschichte? Die Technisierung wird weitergehen, auf Verzicht und Beschränkung haben nur wenige in einer Wachstumsgesellschaft Lust.

Die drei Performer (Ruth Marie Kröger / Jonas Anders / Günter Schaupp), die fest zu Schmidts Team dazugehören, stellen die prall mit Inhalt gefüllten Texte zwischen den improvisierten Stall, den Playmobilbauernhof und das Klavier. Mit viel Selbstironie und Spielfreude versuchen sie den schwerwiegenden Texten Unterhaltungswert abzugewinnen. Zum Schluss, als die Stimmung ob der deprimierenden Aussichten schon ganz im Keller ist, noch mit einem nonchalant intonierten Song ganz ohne Text.

So stellt dieser Abend viele Fragen, gibt aber keine Antworten. Ein Abend zum Weiterdenken, was der Lichthof sinnvollerweise dann im Anschluss auch gemeinsam mit den Zuschauenden in einem Podiumsgespräch ermöglichte. Zusammen mit den Autorinnen von "Der Grund" und einem Milchbauern aus dem Hamburger Umland wurden gemeinsam Lösungsansätze skizziert, in deren Mittelpunkt ein demokratisches Aushandeln zwischen allen Beteiligten der Gesellschaft stehen könnte.

Birgit Schmalmack vom 14.2.24

Zur Kritik von

nachtkritik 
taz