Die Schauspielerin Mareile Metzner ist sofort zu einem ausführlichen Gespräch über ihre derzeitige Situation und die ihres Ehemannes und Schauspielerkollegens Christoph Schüchner bereit.
„Wir haben Glück gehabt“, berichtet sie gleich zu Beginn. Beide von ihnen hätten für ihre für April geplanten Produktionen, die dann erst einmal ausfallen mussten, die volle Förderungssumme ausgezahlt bekommen. Die Aufführungen konnten problemlos auf den September verschoben werden. Denn es handelte sich um eine Förderung durch die Bezirke Pankow und Treptow-Köpenick. Schon im Mai hätten sie wieder unter strengsten Auflagen mit den Proben beginnen können.
Mareile Metzner gibt seit Jahren Workshops und Seminare an verschiedenen Schulen und an der Universität des Saarlandes. Sie entschied diese Kurse nicht ausfallen zu lassen sondern online durchzuführen. Das steigerte zwar ihren Arbeitsaufwand erheblich, hätte aber auch zu ganz neuen Formaten und Ergebnissen geführt, die sich sehen lassen konnten.
Doch alle anderen Aufträge seien abgesagt worden. Drehtage und Lesungen, die geplant waren, wurden gestrichen und damit auch die Gagen.
So mussten die Beiden ihre Altersrücklagen, die ihre Mutter für sie zurückgelegt hatte, angehen, um weiterhin ihren Lebensunterhalt und denen ihrer beiden Kinder finanzieren zu können. Gerade in deren Alter von 15 und 17 Jahren seien die laufenden Kosten nicht zu vernachlässigen. Die Kosten für Musikschule und Sportvereine liefen schließlich weiter, auch wenn sie nicht mehr in Anspruch genommen werden konnten. Metzner weiß von vielen Kollegen, denen nur noch die Alternative blieb, Hartz 4 zu beantragen, als die eventuell erhaltene Soforthilfe aufgebraucht war, aber immer noch keine neuen Aufträge in Sicht waren. Das hält sie für eine ungerechte Form der Demütigung, denn die Künstler*innen seien ja nicht aus eigenem Verschulden zurzeit ohne Einkommen. Schauspieler*innen lebten in der Regel ohne die Möglichkeiten Rücklagen zu bilden. Von der reinen Kunst zu leben, gehe eben nur mit einer Hang zur Selbstausbeutung und mit einer großen Liebe zur Arbeit.
Nun wird sich die Situation der Familie noch einmal verändern. Der Österreicher Christoph hat ein Festengagement am Volkstheater Wien bekommen. Und zwar genau im Januar, einen Monat vor dem Corona-Shutdown, wurde der Vertrag unterschrieben. So erhält einer in der Familie jetzt ein festes Gehalt. Ein Glück in diesen Zeiten und gleichzeitig zurzeit auch ein Unglück, denn seit Österreich zum Risikogebiet erklärt wurde, dürfe der Ehemann und Vater nur unter Einhaltung der vierzehntätigen Quarantäneregel zu seiner Familie nach Berlin einreisen. Für Schauspieler*innen sieht Berlin keine Ausnahmegenehmigung im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen wie Flugkapitän*innen vor. Nun können die Vier nur noch darauf hoffen, dass sich die Lage ändert, wenn Berlin ebenfalls als Risikogebiet eingestuft wird. Sonst verdient Christoph zwar regelmäßig Geld, darf seine Familie aber nicht sehen.
Für die Zukunft wünscht sich Metzner eine stärkere Anerkennung des Versuchs der Kulturschaffenden die Kultur weiter am Leben zu erhalten - trotz aller Ungewissheiten und Hindernisse, die die Bürokratie setze. Sie wünscht sich entweder eine Weiterführung der Soforthilfe oder noch besser ein bedingungsloses Grundeinkommen für Solo-Selbstständige. Inzwischen ist Christoph mit seinen Büroarbeiten fertig geworden und kann die genauen Daten zu der Fördersituation in den anderen europäischen Ländern beisteuern. In den Niederlanden zum Beispiel gäbe es sechs Monate ein Grundeinkommen von 1050 € ohne demütigende Beantragung beim Sozialamt. In Norwegen sogar 80% des letzten Durchschnittseinkommens. Somit wäre es eine Mär, dass die Kunst in Deutschland besonders gut unterstüzt werde. Da gäbe es noch viel Luft nach oben, damit die Kunst auch weiterhin das Leben der Stadt bereichern könne. Ansonsten sähe es sehr düster um die Zukunft der privat geführten Theater und der freien Theaterschaffenden aus. Viele Theater würde Pleite gehen und viele Kulturschaffende sich von der Kunst verabschieden müssen. Wenn die Politik jetzt nicht weitere Anstrengungen unternehmen würde, könnte die Kulturszene in Deutschland erheblich ärmer aussehen. Das ist der eindringliche Appell der beiden Vollblutschauspieler*innen.
Birgit Schmalmack vom 11.10.20
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Theater in der Krise?
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