Wiederaufnahmen
Opernloft: Carmen
Anpassung kontra Freiheitsdrang
Statt Sevilla Amerika, statt Zigarrenfabrik High-School, statt Torrero Baseball-Star, statt Soldat Lehrer. So beamt das Opernloft die Oper „Carmen“ von Bizet geschickt in die Lebenswelt heutiger Jugendlicher. Während der Musik-Referendar sich abmüht seinen Schülern den Opernstoff näher zu bringen, ist das blonde Gift Carmen nur daran interessiert ihn heiß zu machen. Als sie ihr Ziel erreicht hat, zieht sie jedoch kalt lächelnd mit den breitschultrigen Escamillo ab. Es kommt wie im Original zum großen Show-down auf dem Baseballfeld. Regisseurin Inken Rahardt beweist, dass sie die Form der OperaBreve im Griff hat: Im Opernloft passen stimmliche Perfektion in den großen Arien hervorragend zu lässiger Choreographie bei den Tänzen in bauchfreien Cheerleader-Outfit. (661)
Es fehlen noch:
Die Zauberflöte
Tolomeo
Das Zauberflötchen
Der kleine Ring
Die Prinzessin der Feen
Monsun Theater: Hamlet (leicht gekürzt)
Das Hamlet-Feeling
„Shakespeare, ist das einzige was zählt“, singen die drei Schauspieler aus vollem Halse. Wer im Publikum da nicht mitsingen mag, ist selber schuld.
Regisseurin Nina Pichler feiert "Hamlet - leicht gekürzt" im Monsuntheater als Gruppenerlebnis. Das Publikum darf, ja muss sogar mitmachen. Als vielstimmiger Chor spielt es das ÜberIch, das Es und das Ich von Ophelia. Wer es an der nötigen Überzeugung mangeln lässt, erhält die Gelegenheit zu einem Einzel-Personal-Coaching, das im Eintrittskartenpreis mit einbegriffen ist.
Da leider nur einer der drei Newcomer-Schauspieler die Titelrolle spielen kann, haben die beiden anderen natürlich nichts Besseres zu tun als dem "Star" seine Rolle streitig zu machen. Der Auftritt der Gauklertruppe in Shakespeares Hamlet wird kurzerhand von Pichler so zum Stilmittel des gesamten Stückes erklärt. Ein leichter Spaß, der das Shakespeare-Feeling als Event feiert. (772)
Es fehlt noch: Faust I / II (Thorsten Diehl)
Lichthof: Brave new age
For ever young
Ein Ehemann pocht mit 70 auf seine Entscheidungsfreiheit und verlässt seine Ehefrau. Nun steht er vor seiner Tochter und fragt sie, ob sie bereit wäre ihn im Alter zu pflegen. Die 90jährige erfolgreiche Akademikerin sieht erst jetzt den geeigneten Zeitpunkt für die Erfüllung ihres Kinderwunsches gekommen: Zuerst die Karriere und dann die Kinder. Die Ruhestandsfamilie als das perfekte Modell.
Autor Oliver Gorf legt in „Brave new age“ mit seinen Beobachtungen zur älter werdenden Gesellschaft seinen Finger oft schmerzhaft in die Wunde. Die Schauspieler loten unter der Regie von Gero Vierhuff auch den Humor in ihren kleinen Geschichten aus. For ever young, so träumen Jung und Alt schwofend bis zum Verlöschen des Lichtes in dem weißen Geviert. (633)
Thalia: Amerika
Gefangen
Seiner Bewegungsfreiheit enthoben, allein und dennoch den Blicken aller ausgesetzt – so fühlt sich Karl Roßmann, nachdem er von seinen Eltern verstoßen und nach Amerika verbannt worden ist. Er strauchelt von einer beklemmenden Situation in die nächste. Der brave ahnungslose Junge wird herumgeschubst, ausgenutzt und ausgenommen. Er wird zum Spielball der Anderen, immer auf der Suche nach etwas Anerkennung und Zuneigung. Der unvollendete Roman von Franz Kafka findet mit dem Solo-Darsteller Philipp Hochmair eine furiose Umsetzung in einem sehr passenden Bühnenbild: Ein durchsichtiger Glaskasten hält Karl gefangen und gibt ihn dennoch allen Blicken preis. (566)
St.Pauli: Heiße Ecke
Die unsichtbaren Engel von St. Pauli
Lebensweisheiten gibt es zur heißesten Currywurst der Stadt gratis - in der ehemals legendären Imbissbude auf dem Spielbudenplatz schräg gegenüber der Davidswache. In dem neuen Hamburg-Musical im Schmidts Tivoli wird ihr in der "Heißen Ecke 24" ein vergnügliches Denkmal gesetzt. Die 24 Szenen, die im Laufe von 24 Stunden in jeweils fünf Minuten interessante kleine Geschichten erzählen, richten eine gelungene Mischung aus derben Scherzen, romantischen Liebesliedern, besinnlichen Momenten und eingängigen Songs. Regisseur Corny Littmann leistet mit den wandlungsfreudigen Schauspielern einen Beitrag zum Erhalt des Mythos der Reeperbahnromantik; ohne jedoch die Schwierigkeiten zu unterschlagen, die die Jagd und die Vermarktung des Vergnügens mit sich bringen. (661)
Kunst (St. Pauli)
Dreamteam
Drei Männer, ein weißes Bild. Daraus wird bei Yasmina Reza eine bitterböse Abrechnung mit der französischen Bildungsbürgerschicht. Das weiße Bild, das sich Serge für 200 000 gekauft hat, wird zur Messlatte seiner Freundschaft mit Marc und Yvan. Marc will nicht verstehen, wie sein Freund sein wohl verdientes Geld für ein völlig überteuertes Machwerk rauswirft. Yvan wird zum Spielball der beiden Streithähne degradiert. Hans Löw, Stephan Schad und Peter Jordan sind ein Dreamteam für Yasmina Rezas Gesellschaftssatire. Löw lotet geschickt mit einer Gratwanderung zwischen Komik und Tragik die berührenden Momente seiner Figur aus. Jordan zeigt hinter Marcs verbitterter Fassade seine Verletzungen. Und Schad serviert Serges Arroganz mit so viel Charme und Intelligenz, dass man auch ihm das versöhnliche Ende gönnt. (698)
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