Der Raub der Sabinerinnen
Wie im richtigen Leben
Hinter die Kulissen eines Boulevardtheaters können die Zuschauer zur Zeit im Winterhuder Fährhaus blicken: Ein Theaterdirektor, der seit Jahrzehnten mit seiner Truppe durch die Lande zieht, entdeckt in einer Stadt per Zufall ein unaufgeführtes Stück. Der Gymnasiallehrer Gollwitz (Markus Völlenklee) hatte die Römertragödie in Studententagen geschrieben und seitdem sorgsam in der Schublade verwahrt. Der diplomatische Theaterdirektor Striese luchst es ihm geschickt für die baldige Premiere in Gollwitz’ Heimatstadt ab. Die Proben erweisen als Herausforderung an das Improvisationstalent aller Beteiligten. Doch das ist das Ensemble des Herrn Striese gewohnt. Der „süßen lieben kleinen Frau“ des Direktors fällt zum Glück immer eine Lösung ein.
Die Gemeinsamkeiten der Rolle des Theaterdirektors mit der Rolleninhaberin Katharina Thalbach sind unübersehbar. Wie er ist sie eine Vollblutschauspielerin. Wie er führt sie Regie und spielt gleichzeitig mehrere Rollen. So verkörpert sie hier die beiden sehr verwachsenen Hälften des Theater-Ehepaars Striese: die liebevoll-grantelige des Mannes und die kreativ-charmante der Frau. Auch die Ähnlichkeiten des Stücks im Stück mit der Inszenierung auf der Bühne in Winterhude springen ins Auge. Striese steht zu seinem „Schmierentheater“ wie Thalbach zu Boulevard mit Slapstick und Klamauk. Doch genau diese Begeisterung für das Theater ist auch die Schnittmenge der beiden Ebenen, die für die anrührenden Momente während des Abends sorgt: Wenn er bedauert, dass er nie zu Lebezeiten an die Wiener Burg gekommen ist, rührt die Darstellung der um Fassung ringenden Thalbach sehr. Aber auch dafür ist dem findigen Striese eine überaus pragmatische Lösung eingefallen: Er vermacht seinen Schädel der Burg, um dann in Hamlet seinen großen Auftritt zu haben.
Der Abend auf der Bühne des Schützenhauses wird gerettet durch die geniale Idee der Frau Striese: „Der Raub der Sabinerinnen“ sei eine Parodie, erklärt sie kurzerhand dem Publikum während des Premierenfiaskos. Die Parallelität auch hier zu erkennen, wäre wohl zu weit gegriffen. Dennoch soviel: Herausgekommen ist eine Liebeserklärung an das Theatermachen, in der sich die Theaterschaffenden selbst liebevoll auf die Schippe nehmen.
Birgit Schmalmack vom 3.6.10
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