Q4
Verständigungsschwierigkeiten beim Sexgeschäft
Der kleine Grenzverkehr zwischen dem deutschem Freier und der bulgarischen Prostituierten läuft nicht so komplikationslos ab, wie er es gerne hätte. Der Absprache zwecks Geld, Stellung, Vorlieben und Extras sind sehr enge Grenzen gesetzt, wer keiner die Sprache des anderen beherrscht. Schließlich steht er mit heruntergelassenen Hosen da, unbefriedigt und ratlos, was er von dieser europäischen Völkerverständigung halten soll.
In einer internationalen Zusammenarbeit zwischen dem Dramatischen Theater aus Varna (Bulgarien) und dem Schlosstheater Moers haben sich der Regisseur Boian Iwanow und seine sieben deutschen und bulgarischen Schauspieler auf Beobachtungstour in die Städte Duisburg und Varna begeben. Herausgekommen ist eine lockere, amüsante Szenenfolge über ihre Beobachtungen des beiderseitigen Alltags,
„Q4“ gibt Einblicke in den Alltag in der Ruhrpott-Stadt, wo die Menschen nach Super-Billig-Angeboten Ausschau halten, Firmenpleiten erleben und in Reisekatalogen nach Schnäppchen blättern. Das 495-Euro-Angebot für zwei Wochen Vollpension an der bulgarischen Schwarzmeerküste bringt sie nach Varna. Dort kämpfen sie nun um ihren Strandliegeplatz am Pool, wimmeln aufdringliche Souvenir-Verkäufer ab, nehmen an einer Karaoke-Show teil und bändeln mit den bulgarischen Mädels an.
„Q4“ wagt auch einen Ausblick in die politische Ebene: Wenn die EU-Vertreter zu Diskomusik über die Bühne steppen, verstehen sie sich auch ohne Worte. Doch sobald das Debattieren in babylonischer Sprachenvielfalt wieder beginnt, werden sie zu grau gekleideten, strengen Landesvertretern und die Harmonie schwindet.
Höhepunkte der Aufführung sind die Momente, in denen das Ensemble in ausgefeilter, gekonnter Choreographie ohne Worte bebildert, was es beobachtet hat. Dann werden die Menschen zu Schachfiguren, die zwischen den verschachtelten Seiten- und Rückwänden auf- und abtauchen, einem höheren Plan gehorchend. Dann werden die Kultur- und Länderunterschiede nichtig und die Menschen funktionieren.
Auch wenn im Zuge des EU-Beitritt von Bulgarien ein ernster Hintergrund den Anlass zu diesen kulturübergreifenden Theatersuche gab, werden in den Szenen eher die komischen Momente ausgelotet, die einen der anwesenden Zuschauer im Hamburger Sprechwerk am Ende spontan sagen ließ: „Toll war das!“
Birgit Schmalmack vom 19.11.06
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