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D’Orient

Das weiße Rechteck in der Mitte der Bühne wird in blaues Licht getaucht. Fast wirkt es wie ein flacher Swimming-Pool. Dann wechselt das Licht in warmes weißes Ambiente und acht Männer, nur mit weißen Pumphosen bekleidet, nehmen bequeme Positionen ein. Einer rekelt sich, ein anderer rollt sich sacht auf dem Boden, ein nächster nähert sich einem weiteren an. Man gibt sich gegenseitig Stützen, man massiert sich, man gießt symbolisch Wasser über den Kopf. Auch wenn man den Programmzettel nicht gelesen hätte, könnte man es erahnen: Die erste Szene von „D’Orient“ spielt im Hamam. Hier sind die Männer unter sich und können sich ganz der Entspannung, dem Wohlgefühl und der Gemeinschaft hingeben. Leise plätschern orientalische Klänge dazu. Zum Ende hin wird die Musik rythmischer und folkloristische Elemente mischen unter den Tanz der Männer.
Doch schnell ist die ausgelassene Stimmung wieder zu Ende. Staub legt sich über die weiße Ebene der Bühne. Denn die Männer haben Säcke mit Baumwolle ausgeschüttet. Die ganze Bühne ist mit einem weißen Flaum bedeckt, der aufwirbelt, wenn die Männer sich bewegen. Nun sind ihre Bewegungen gedämpft. Man kann förmlich die Hitze, die schnelle Aktionen verbietet, spüren. Die Männer wälzen, rollen und bewegen sich in dem Baumwollfeld. Schon bald sind ihre Körper davon gekennzeichnet: Auf den schweißnassen Oberkörpern kleben die Baumwollflusen. In den beiden ersten Teilen beeindrucken besonders die gekonnte, sauber choreographierten Gruppenelemente, in denen sich zwei oder drei Tänzer begegnen, sich hochheben, aufeinander abrollen, ineinander verschlingen und wieder entwirren. In immer neuen Gruppierungen finden und trennen sie sich.
Für den dritten und letzten Teil dienen die leeren Säcke als perfekte Besen: Mit ihnen schieben die Tänzer die Bühne wieder sauber. Jetzt brauchen sie eine freie Tanzebene, die Platz bietet für die große Formation. Fast militärisch wirken die gleichförmigen Schritte, die mit Variationen wiederholt werden. Langsam mischen sich in die Musik elektronische Störklänge und findet ihre Entsprechung in modernen Tanzelementen. Während die Männergruppe in diesem Teil ansonsten sehr geschlossen und einheitlich auftritt, erzählen die abgehackten Bewegungen Einzelnen von den Brüchen in einer patrialachen Gesellschaft, die sich der Moderne stellen muss.
Die Compagnie Thor aus Belgien zeigt eine exquisite tänzerische Leistung. Choreograph Thierry Smits zeigte, dass in dieser Männergemeinschaft eine besondere Intimität möglich ist, die dem Westen so fremd ist. Er gab Einblicke, die bei einem oberflächlichen Blick auf die arabische Welt oft verborgen bleiben. Er bediente nicht die Klischees, die von arabischen Arabesken und Bauchtanzvorstellungen geprägt sind. So ist ein stiller intimer Abend, der seine starke Wirkung gerade durch die ruhigen, harmonischen Momente erhält.
Birgit Schmalmack vom 14.6.08