Shoppen und Ficken
Ravenhill wollte ein Stück schreiben, in dem er eine Gesellschaft zeigt, deren Leben und Denken ganz vom Geld geprägt ist. In den neunziger Jahren entstand „Shoppen und Ficken“, eine schonungslose Bestandsaufnahme unter jungen Erwachsenen einer Großstadt, die keine Illusionen mehr erlaubt.
Die jungen Laute vermeiden Beziehungen, weil sie die emotionalen Abhängigkeiten fürchten. Sie erklären sie lieber zu geschäftlichen Partnerschaften, die nichts weiter zu bedeuten hätten. Käuflicher Sex ist ihnen am liebsten. Komisch dass sie aber dennoch das Gefühl nicht loswerden können, dass ihnen etwas Wesentliches fehlt. Die gemeinsame Einnahme von Drogen kann zeitweise eine Art von Glückgefühl ersetzen. Wenn doch ein Gefühl der Sehnsucht nach Nähe sich in ihren Gefühlshaushalt einschleichen sollte, verbergen sie es unter Aggression. Küssen und Schlagen liegen ebenso dicht beieinander wie Sexualität und Blut.
Nils Danile Finckh erspart den Zuschauern nichts in seiner Inszenierung in der Theaterfabrik. Schonungsloses, hart auf den wunden Punkt gebrachtes, konzentriertes Theater, das berührt und aufwühlt. Er hat wunderbare Schauspieler für sein Projekt gewinnen können, die dieWut, die Verzweiflung genauso spürbar machen können wie die Sehnsucht, Liebebedürftigkeit und Hilflosigkeit. Als Bühne reicht ein Viereck im schwarz angestrichenen Theatersaal mit vielen weißen Luftballons. Sie zerplatzen im Laufe des Abends ebenso wie die Träume der jungen Leute und offenbaren ihren tatsächlichen Inhalt: blutrote Farbe.
Birgit Schmalmack vom 25.10.06
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