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Woolworld
Ex und Hopp im Akkord
„Entweder man macht die Welt oder man wird von ihr gemacht“. Das ist die Überzeugung des wohlhabenden Wollhändlers Paul. Er selbst gehört eindeutig zur ersten Kategorie. Denn er bestimmt mit seinen Geschäften, die er ganz im Sinne seiner Eltern und Großeltern weiterführt, sein Leben, seinen Wohlstand und seine Umgebung. Gezwungen durch den Ausbruch des zweiten Weltkrieges sucht und findet er zusammen mit seiner Frau Nelly immer wieder neue Möglichkeiten irgendwo auf der Welt mit der Wolle gutes Geld zu verdienen. Doch die Menschen, die eher zu seiner zweiten Kategorie gehören, zeigt das Stück „Woolworld“ im Lichthof ebenfalls. Das sind einerseits die Arbeiterinnen, die für wenig Geld ihr Leben in den Textilfabriken zubringen und auch für Pauls Unternehmen schuften. Ihr Leben selbst gestalten zu können, wäre ein unerhörter Luxus, da ihnen selbst die Zeit zum Essen und Schlafen fehlt. Das sind andererseits die Teenies, deren Denken, Trachten und Outfit nur noch von H&M bestimmt wird: Immer dem neuesten Trend auf der Spur zu immer noch günstigeren Preisen.
Die Verschränkung dieser drei Ebenen hatte sich die Regisseurin Maryn Stucken in ihrer Inszenierung im Lichthof vorgenommen. Ein ehrgeiziges Ziel und ein enormer Kraftakt für ein Privattheater, das hauptsächlich mit Laiendarstellern arbeitet. Das Ergebnis ist beachtlich. Schon das Bühnenbild hätte jedem Staatstheater zur Ehre gereicht. Vor schwingenden Umkleidekabinentüren sitzen die fünf Familienakteure auf erhöhter Ebene in bequemen Ledersesseln. Eine Etage tiefer schuften die Näherinnen an einem großen Arbeitstisch, der auch als Laufsteg dienen kann. Halbfertige Kleidungsstücke schieben sie in stoischer und nimmermüder Arbeitshaltung über den Tisch. Mit Gesängen kommentieren sie das Geschehen der Familie und ihre eigene Situation. Zu ihren Volksliedern, die ihre wechselnden, austauschbaren Standorte spiegeln, kontrastieren die poppigen Töne aus den Lautsprechern, die ertönen, wenn die jugendliche H&M-Modemeute wieder durch die Schwingtüren stürmt. Das Publikum war begeistert und feierte mit stehenden Ovationen den vielschichtigen, spannenden und anspruchsvollen Theaterabend, der ihnen in Bahrenfeld geboten wurde.
Birgit Schmalmack vom 26.11.06