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Aufregendes Musikkunstwerk

Te Faultm Hfmit Greg Beller



Zarte Pianoklänge, flirrendes Geigengezirpe und irritierende synthetische Geräusche erzeugen gleich zu Beginn einen beunruhigenden Klangteppich. Angemessen für das dramatische Geschehen, das der Handlung für die Oper "The Fault" in der Hochschule für Musik und Theater zugrunde liegt. Eine junge Frau hat einen Vertrag unterschrieben: Sie wird für die Finanzierung ihres anschließenden Studiums ein Baby austragen. Die Eizelle stammt von der verstorbenen Ehefrau des Mannes, der sie angeheuert hat. Sie wohnt während der nun folgenden neun Monate mit ihm unter einem Dach, aber sie haben wenig Kontakt. Als die Mutter des Ehemannes sie besucht, beginnt die junge Frau zu ahnen, dass es hier um mehr geht, als sie bisher glaubte. Als sie endlich die volle Wahrheit erfährt, befindet sie sich in einer ethischen Zwickmühle.
Das Bühnenarrangement zeigt jedoch klar, was an diesem Abend im Mittelpunkt steht: die Musik. Schließlich ist es die Doktorarbeit von Greg Beller, die heute zu sehen und zu hören ist. Direkt vor dem Publikum ist das gesamte musikalische Kreativteam aus Orchester, Dirigentin, Sänger:innen und Beller zu beobachten. Er ist der Komponist der Oper, für die er neue Technologien für Komposition und Performance nutzt: künstliche Intelligenz, Sprachsynthese, interaktive Notation und ein neues Instrument, mit dem er selbst das räumliches Sampling in der virtuellen Realität ermöglicht.
Dennoch ist seine Komposition nicht ohne die sich stetig steigernde Dramatik des Librettos (Frieda Lange and Matthias Piro) zu würdigen. Hinter der überaus sensibel agierenden Dirigentin Chloe Kerou Liu haben die vier Sänger:innen (Ella Hajdu, Vicente Sampaio, Tina Scherer, Carmen Callejas) Stellung bezogen. Alle ihre Texte sind auf den eingeblendeten Übertiteln mitzulesen, inklusive aller Regieanweisungen. Denn statt einer szenischen Umsetzung hat sich Beller für seine Erstaufführung für eine performative Visualisierung entschieden. Auf dem Bühnenpodest sind zunächst grafische Videos, die an Ultraschallbilder erinnern, und dann eine bildende Künstlerin dabei zu sehen, wie sie eine Skulptur aus Draht, Gips und Farbe live auf der Bühne gestaltet. Ein passendes Bild für ein sich formendes Leben im Bauch einer Frau. So entsteht unter den Augen des Publikums ein Gesamtkunstwerk, dessen kreativen Prozess alle direkt mitverfolgen können. Und das ist an diesem Abend wirklich dramatisch und aufregend genug und macht dennoch neugierig auf eine hoffentlich bald folgende Inszenierung dieses Opernwerkes mit Sänger:innen, die interagieren dürfen. Denn Bellers hochemotionale und intuitive Musik fordert diese Ausdrucksvervollständigung geradezu ein.
Birgit Schmalmack vom 26.1.23