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Da kann kein Mann drüber hinweg.

Maria Magdalena, Theater das Zimmer



Eine Frau steht zwischen zwei Männern. Auf der einen Seite ihre einstige Jugendliebe Friedrich, die aber zum Jurastudium fort ging. Auf der anderen Seite ihr Verlobter Leonhardt, dessen Werbung sie annahm, weil Friedrich nichts von sich hören ließ. Doch nun ist Friedrich wieder da und verstohlene Blicke wechseln zwischen den beiden. Die aber bei Leonhard nicht unbemerkt bleiben. Seine Eifersucht kocht, er will Liebesbeweise und nimmt sie sich kurzerhand mit Gewalt. Die Konsequenz: Klara ist schwanger und nun umso mehr gebunden an Leonhard. Doch ein weiterer Mann in Klaras Leben spielt Schicksal: Klaras Bruder muss ins Gefängnis und Leonhard kündigt kurzerhand die Verlobung auf. Und Klaras Vater warnt: Noch eine familiäre Schande würde er nicht überleben. Klara ist gefangen zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen an sie als Frau und versucht sich mit aller Vernunft, Klarheit, und Ehrlichkeit ihren Weg durch sie zu bahnen. Auch wenn sie keine Schuld trifft, übernimmt sie die Verantwortung. Zwischen all den Männern, die ihr Schicksal bestimmen, versucht sie einen moralisch sauberen Weg zu gehen, auch wenn sie dazu große Opfer bringen muss.
Oder gibt es doch noch einen Ausweg? Als sie ihrer Jugendliebe Friedrich ihre Situation beichtet, keimt in ihr ein Hoffnungsschimmer auf. Doch seine Entgegnung ist ernüchternd: "Da kann kein Mann drüber hinweg." So zieht Klara ihre Konsequenz und Friedrich seine.
Auf die drei Kern-Personen reduziert hat Lars Ceglecki das bürgerliche Trauerspiel, das mit veralteten angestaubten Moralvorstellungen eigentlich wie aus der Zeit gefallen erscheint und unter seiner Regie doch zu einem hochkonzentrierten, spannenden Kammerspiel wird. In dem grandiosen, völlig abstrakten, schwarz weißen Bühnenbild (Nicole Bettinger), das aus drei schrägen Rampen besteht, die in das Horner Zimmertheater hinein gebaut sind, versuchen die drei Figuren in ihrer misslichen Lage Halt zu finden und müssen doch scheitern. Herausragend aus dem insgesamt tollen Ensemble (Dustin Leitol und Marco Spina) agiert die Darstellerin der Klara. Lena Anne Schäfer spielt jeden Gedanken, jeden Hoffnungsschimmer, jede Verzweiflung, jede Enttäuschung, jeden Entschluss mit sehr feinen Nuancen in ihrer Mimik, Gestik und Haltung. Sie ist das Zentrum dieser Aufführung und gibt Klara eine Würde und Stärke, die angesichts ihres Ausgeliefertseins umso erstaunlicher ist. Das ist ein Stück, das jeden noch so weiten Weg in die Washingtonallee in Horn lohnt. Denn diese Inszenierung macht selbst diesen Hebbel-Text wieder spannend und aktuell. Gesellschaftliche Zwänge gibt es schließlich auch heute noch allzu viele.
Birgit Schmalmack vom 17.4.23