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Gefährliche Kunst

Schöne neue Welt, Thalia Foto: Armin Smailovic


In der "Schönen neuen Welt" herrscht Stabilität. Und da sind Kunst und Liebe nicht nur überflüssig, sondern auch gefährlich. Das ist der Preis für ein Leben ohne Höhepunkte, aber eben auch ohne Zweifel.
John Savage ist der Neuankömmling in dieser Welt. Er kommt aus der so genannten Wildnis. Dass John Savage (Johannes Hegemann) bei einem Ausflug in die Wildnis aus einer nicht erlaubten One Night Stand zwischen einer Wilden und einem Alpha Plus Mann entstanden ist, macht ihn selbst ebenfalls zu einem Premium Modell in der Neuen Welt. Er erhält sogleich eine Staatsbürgernummer. Doch will er dieses Leben? Noch hat er Zweifel, ob er diese Integration bzw. Konditionierung überhaupt will.
Er wird schnell zum Leiter des neu geschaffenen Erlebnisparks "Wildnis" erklärt, schließlich bringt er genügend Expertise mit. Hier gibt es auch so etwas Verrücktes und Antiquiertes wie Theateraufführungen. Wenn "Die Möwe" gegeben werden, sind die Bewohner der schönen neuen Welt begeistert, selbst von schlecht gespielten Inszenierungen. Seine Spiel-Partnerin Lenina (Pauline Rénevier) verliebt sich in ihn. Doch wer mehrmals den selben datet, macht sich verdächtig. Schließlich gelten Beziehungen in dieser neuen Welt als subversiv. Genau aus diesem Grunde wurde auch die Familie abgeschafft, stattdessen kommt die Fortpflanzung aus dem Reagenzglas, da braucht es diese traditionellen Versorgungsstrukturen nicht mehr. Herauskommen normierte Menschen, die von Geburt an in Kasten eingeteilt sind: Allen voran die Alpha Plus Menschen, danach Betha, Gamma usw.
Doch schnell findet John sich ein, bis auf eine Ausnahme, die nicht ganz zu den neuen Werten passt: Er erwidert die Gefühle Leninas, die sich allerdings auch mit einem Alpha Plus Mann (Stefan Stern) trifft. Der scheint nicht so frei von Eifersucht zu sein, wie er immer propagiert. Denn er droht ihnen mit harten Konsequenzen, falls sie nicht ihre Beziehung sofort beenden.
Die wahrhaft subversive Kraft von Theater erleben die beiden ganz direkt. Obwohl sie ihre privaten Treffen beenden sollen, dürfen sie beruflich weiter zusammen arbeiten. So proben sie für ihr neues Theaterstück im Erlebnispark Wildnis: "Romeo und Julia". Bei der letzten Liebesszene, die eigentlich den Tod beider zur Folge hat, springt Julia von ihrem Totenbett auf, beide zünden den Park an und ziehen den Bildschirmen dann endgültig den Stecker.
So erschafft Regisseur Amir Reza Koohestani in seiner Fassung von Aldous Huxleys Science-Fiction-Romans nach einem leise dahinplätschernden Menage à Trois ein Happy End in einer nicht mehr so fernen Zukunft eines Überwachungsstaates, in dem zwar alles geregelt und stabil ist, doch auch so langweilig. Den Menschen all seine Gefühle abzutrainieren, macht auch keinen Spaß, dies erzeugt vielleicht Zufriedenheit, aber eben keine Lebensfreude. Dass gerade das Theater den Anstoß zum Ausbruch aus dieser ach so schönen, glanzlosen Welt liefert, ist für eine Theateraufführung dann doch eine nette Botschaft.
Birgit Schmalmack vom 15.2.23