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Käthchen von Heilbronn
Kleist-Kollektiv
Ein Blick in eine Schreibstube wird gewährt. Sechs fleißige Federschreiber sitzen in Einheitskluft an ihren Einheitstischen und stellen Texte her. Ihre enge Bretterklause ist mit Notizzetteln bis unter die Decke behängt. Hier sind Ideen, Formulierungen, Wendungen, Handlungsverläufe festgehalten. Werden sie benötigt, klettert einer der Schreiber auf eine der Leitern empor oder läuft an einem Seilzug angekettet die Wände bis zur gewünschten Stelle hoch.
Der Autor Kleist tritt hier gleich in sechsfacher Ausführung auf. Er sucht in der Diskussion mit den verkörperten Stimmen in seinem Kopf nach einem Stoff, der dem Publikum gefallen und ihn aus seiner misslichen Geldknappheit befreien möge.
Diese sechs Kleists spielen nun die von ihnen ersonnene Geschichte durch. Sie springen durch minimale Kostümveränderungen abwechselnd in die verschiedenen Rollen hinein oder spielen sie mit Handpuppen durch. Das Kleist-Kollektiv erspinnt sich eine fantastische Ritter-Geschichte um den Graf Wetter von Strahl, in den sich das unschuldige streng gläubige Mädchen Käthchen von Heilbronn unsterblich verliebt und ihm fortan verfallen nachreist. Sie kommt innerhalb der engen Rahmenbedingungen der Inszenierung nicht nur räumlich schnell an ihre Grenzen. Verständnis für das Käthchen und ihren Vater kann sich so nicht entwickeln. Einfühlung in die Charaktere dieser märchenhaften Geschichte mit Vorhersagungen, Mythen und Ehrbegriffen jenseits der heutigen Realität wird durch diesen distanzierenden Kunstgriff erübrigt sich so. Das ist als Grundlage für ein über dreistündiges Stück aber zu mager, da auch die Einfühlung in Kleist selber zwar durch die Zitate aus seinen Briefen an seine Schwester Ulrike versucht, aber durch den ständigen Wechsel der Darsteller sehr erschwert wird.
Regisseur Andreas Kriegenburg bescherte den Zuschauern ein schönes Bühnenbild, wie sie es von ihm gewohnt sind, das die finanziell und psychisch prekäre Situation Kleists eindrucksvoll bebildert. Er wollte die übersinnliche Geschichte aus einer übergeordneten Distanz zeigen, die auch noch aus heutiger Sicht zu ertragen ist. Dadurch nahm er aber leider in Kauf, dass sie in so weite Ferne rückte, dass sie uninteressant wurde.
Birgit Schmalmack vom 7.4.12