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Väter und Söhne, Deutsches Theater

Wie weiterleben?

Arkadij (Marcel Kohler) kommt mal wieder nach Hause zu seinem Vater (Helmuth Mooshammer) und seinem Onkel (Oliver Stokowski) aufs Land. Mit dabei hat er seinen Freund Jewgenij (Alexander Khuon), den er über alle Maßen bewundert. Gerne würde er so brillant und konsequent sein wie dieser kluge Kopf, der so versiert die Welt auseinandernimmt. "Wir sind Nihilisten", verkündet Nikolai sehr stolz. Alles in Frage stellen, alles zerstören, eine neue Gesellschaft ohne Regeln und Moral erschaffen, an nichts mehr glauben, das sei das Ziel. Jewgenij will sich ganz unabhängig machen, dazu stellt er jede Art von Gefühlen und ganz besonders die Liebe in Abrede. Das gelingt ihm so lange, bis er die schöne, kluge und stolze Witwe Anna (Katrin Klein) kennen lernt. Er verliebt sich über beide Ohren in sie, was er aber zunächst sehr gut vor sich und den anderen hinter einer aggressiven provokanten Schale zu verbergen versteht.
Auch Arkadij verändert sich auf dem Land. Er merkt, dass er im Gegensatz zu Jewgenij die Menschen braucht, und ganz besonders Annas Schwester Katja (Kathleen Morgeneyer), die sich ihm liebevoll, geduldig und einfühlsam anzunähern versteht. Die Ablehnung von Gefühlen, die Jewgenij vor sich herträgt, bekommt bei ihm sehr schnell Risse.
Großes erschaffen wollen und kläglich an den riesigen Zielen scheitern, dass erleben nicht nur Arkadij und Jewgenij. Das haben sie mit allen Menschen, die sich am Schluss um den großen Familientisch versammeln, gemeinsam. Sie alle strebten ihrem Utopia nach, verfehlten es, versinken nun in Depressivität, geben sich mit Kompromissen zufrieden oder retten sich in pragmatischen Pflichterfüllung. Die Frage: Sind sie glücklich, die Jewgenij gerne den Frauen stellte, bringt sie aus dem mühsam erreichten Gleichgewicht. Glück, welch ein Luxus! Wer zuviel erwartet, kann nur enttäuscht werden, ist eher zu ihrem Lebensmotto geworden.
"Väter und Söhne" von Iwan Turgenjew ist ein kluges Buch, prall an genauer Menschenbeobachtung, psychologischer feiner Analyse ihrer Lebensenttäuschungen und Alltagsphilosophien. Brian Friel hat daraus ein Drama destilliert. Regisseurin Daniela Löffner nimmt sich vier Stunden Zeit, um dieses prall gefüllte Lebensportfolio zweier Familien auf der Studiobühne aufzublättern. Die Zuschauer dürfen zu Gast sein in deren Gärten und Esszimmern. Fast meinen sie auf der intimen Kammerbühne mit am Tisch zu sitzen oder sich einmischen zu können in ihre Unterhaltung, in ihre Auseinandersetzung, ihre Gefühlsausbrüche und ihre Diskussionen. Ein dichtes Tableau wird hier ausgebreitet, was zu allererst an den wunderbaren Schauspielern liegt, die hier Spitzenleistungen zum Niederknien abliefern. Denn die Inszenierung von Löffner glänzt weniger durch künstlerischen Einfallsreichtum und Überhöhung, als vielmehr durch sehr genaue Detailarbeit in der psychologischen Rollenanalyse. Das ist Schauspielertheater at ist best.
Birgit Schmalmack vom 11.4.16