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Intime Ergriffenheit

Feist, Kampnagel Foto: Maximilian Probst


Kurz vor Schluss geht Leslie Feist durch den Zuschauerraum und öffnet den Bühnenvorhang. Die leeren Reihen der Zuschauerreihen der großen K6 auf Kampnagel werden sichtbar. Denn für ihre intime Show hatte sich die Musikerin mit ihrem Publikum auf die eigentliche Bühne zurückgezogen. Wo bisher die Distanz das Maß aller Dinge war, sollte nun das Zusammenrücken erlebbar werden. Inmitten der Zuschauer:innen, die auf Papphockern Platz genommen hatten, stellte sich Leslie Feist auf ein kleines, grünes, kreisrundes Podest. Ganz allein mit einer ihrer fünf Gitarren und dem lauschenden Zuhörer:innen, die sich gerne von dem meditativen Sog ihrer Songs einlullen ließen. Mit ihrer kristallhellen Stimme interpretierte Feist die neuen Kompositionen, die sie extra für diesen Abend konzipiert hatte.
Während sie weiter sang, standen zwei Männer leise von ihren Papphockern auf und erweckten die um das Podest verstreuten Bühnen-Requisiten, die wie in großer Eile verlassen schienen, zu neuem Leben. Keyboard, Geige, Stuhl, Lautsprecher und Hocker wurden von Todd Dahlhoff and Amir Yaghmai sorgsam neu arrangiert. Um dann mitten in einem Song gleichzeitig einzusetzen und in ein vereinnahmendes berauschendes Klanguniversum zu entführen. Zeitgleich zu der Soundexplosion wurden die Zuschauer:innen umgeben von Bildern, die auf die beiden Seitenwände projiziert wurden. Perspektiven auf die Performenden, die Zuschauer und den Raum in den kunstvollen ineinander verschnittenen Filmaufnahmen umgaben das Publikum. Stand zunächst die Zurückgezogenheit auf die ganz intime Begegnung mit einer einzigen Musikerin und ihrem Klangreich im Fokus, so konnten die Zuhörer:innen danach in die Welt der Musik mit allen Sinnen eintauchen.
Der abschließende Blick in den immer noch leeren Zuschauerraum machte klar, wie schmerzlich einschneidend die Zeit der Pandemie in das Leben von Künstler:innen, die plötzlich ihre Bühne verloren hatten, gewesen war Bei den anschließenden Eröffnungsreden berichtete Festivalleiter Siebold, wie aufwühlend die Proben gerade zu dieser Produktion gewesen seien. Immer wieder mussten sie unterbrochen werden, weil die Gefühle ein Weitersingen unmöglich machten. Diese starke Ergriffenheit übertrug sich bei der Eröffnungsveranstaltung auch auf das Publikum. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht bei dieser Ausgabe des Sommerfestivals.
Birgit Schmalmack vom 5.8.21