Schlecht, aber immer besser
Eigentlich sollte sich die Schar der Reise- und Theaterlustigen schon viel früher wieder treffen. Eigentlich sollte das Reisemittel dieses Mal ein Boot sein. Eigentlich sollte es eine Vorstellung werden, die im Dunkel das Sehen lehrt. Eigentlich sollte das Publikum durch das Fehlen der optischen Reize vieles klarer und deutlicher sehen lernen. Doch dann hatte die Bootshalle auch nach den Abdunkelungsversuchen immer noch Lichtritzen. Dann war das Boot zu klein und für die Einhaltung der Hygieneregeln eh untauglich. So krabbelten die Abenteuerfreudigen in den gelben Schulbus und wurden nach Billbrook geschaukelt. In der dortigen Bootshalle steht das Boot, das eigentlich als ihr Reisemittel auserkoren worden war, auf dem Trockenen und die drei Performenden (Susanne Pollmeier, Ruth Marie Kröger, Jörg Petzold) werden mal vom harten Faktenlicht und mal von warmer Scheinwerferbeleuchtung angestrahlt. So können sie auch mit den modernen visuellen Grafiken über das Missverständnis, das sie heute in den Fokus nehmen wollen, aufklären. Wie steht es um den derzeitigen Zustand der Welt? Gibt es Fortschritte zu vermelden oder nur Verschlechterungen zu beklagen? Die Blitzumfrage unter den Anwesenden zeigt klar die Meinungstendenz: Alles werde immer schlechter. Das höre man doch immer wieder in allen Medien. Oder sollte das etwa ein Missverständnis sein?
Allerlei Grafiken werden an die Hallenwand geworfen, allerlei Zahlen geliefert und allerlei Pappkartons gestapelt, um dieser Annahme auf den Grund zu gehen. Es wird deutlich: Aus dem Dromedar der Armuts- und Reichtumsverteilung auf der Welt ist längst ein Kamel geworden. Immer noch zu viele, aber viel weniger Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze. Wenn Pollmeier die Pappkartons stapelt, wird ein weiterer Zusammenhang klar: Je höher die Lebenserwartung, je höher die Bildungsquote, desto niedriger ist die Geburtenrate. Mehr Zugang zu Geld verringere also das Bevölkerungswachstum, auch dies entgegen der landläufigen Erwartungen. Zum Schluss fassen die drei sympathischen Missverständniserklärer:innen es so zusammen: "Es ist schlecht, aber es wird immer besser!" Darauf einen Wein und einen veganen Burger, der die Gespräche über das Gehörte und Gesehene umso netter machte. Schade dass dies die letzte Ausgabe der Erkenntnisfahrten des Members Club war, den Meyer&Kowski bis auf weiteres veranstalten werden.
Birgit Schmalmack vom 13.8.21