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Warum fühle ich mich so fremd?

Komödie der Irrtümer, Globe Berlin Foto: Thorsten Wulff)



Zwillinge sind eine gerne genutzte Zutat für Komödien. Mit ihnen lassen sich witzige Verwechselungen ganz natürlich in Szene setzen. Um wie viel besser, wenn es auch noch zwei Zwillingspärchen in einem Stück gibt. Das hatte sich wohl auch Shakespeare gedacht, als er seine "Komödie der Irrungen" schrieb. Den Beweis für diese überaus vergnüglichen Entwicklungen tritt jetzt das Globe Berlin mit seiner Inszenierung der "Komödie der Irrtümer" an, wie sie unter der Regie und in neuer Übersetzung des Theaterchefs Christian Leonard heißt. Auf der Open-O Bühne in Charlottenburg, im dritten Jahr ihrer Prolog Saison, müssen nicht nur die Schauspieler:innen sondern auch die Zuschauer:innen höllisch aufpassen, dass sie nicht den Überblick verlieren, wer hier gerade auftritt.
Doch eigentlich begann alles mit einem Drama, das sich auch heutzutage abspielen könnte: Ein Mann (Anselm Lipgens) befindet sich mit seiner Frau (Saskia von Winterfeld) seinen beiden Zwillingssöhnen Antipholus (Matthias Horn) und deren beiden Zwillingsdienern Dromio (Andreas Sindermann), alle in Säuglingsalter, auf einer Schiffsüberfahrt, als ein Sturm aufzieht und das Boot auseinander bricht. Alle werden getrennt und sind seitdem auf der Suche nach den anderen. „Wie ein Tropfen im Wasser der einen anderen Tropfen sucht“, so formuliert es der eine Bruder einmal.
Wie der Komödienzufall so will, treffen sie alle zeitgleich in der Stadt Ephesus ein. Ohne sich jedoch zu erkennen, denn inzwischen sind über 20 Jahre vergangen. Diese Vorlage nutzt der Theaterleiter und Regisseur in jeder Weise weidlich und überaus geschickt aus. „Wie kommt es dass du mir so fremd bist“, fragt sich die Ehefrau (Anja Lechle) nicht nur einmal, wenn sie in Wirklichkeit seinem Zwillingsbruder gegenüber steht. Dieser überlegt seinerseits: „Vielleicht bin ich nicht der, der ich bin.“
Das Ensemble gibt sich in dem amüsanten Spiel über Fremdheit und Identität so wandlungs- und spielfreudig, wie man es schon aus den letzten Jahren kennt. Auch die neuen Mitglieder fügen sich hervorragend ein. Da im Rund der improvisierten Holzbretterbühne gespielt wird, kreiseln die Zuschauer auf ihren Stühlen, die in der Mitte platziert sind, ständig herum, um ja keine Pointe zu verpassen. Ein locker, leichter Sommerspaß ist es geworden, kein Drama, wie die Anfangsszene es noch vermuten ließ. Ein Abend voller rasanter Situationskomik und einem Happy-End, das vielen der heute Flüchtenden wohl nicht beschieden ist. Darauf macht die kleine Ausstellung auf dem Gelände des Globe aufmerksam, die die Situation in dem Flüchtlingslager Moria aufzeigt.
Birgit Schmalmack vom 8.6.21