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"Wir sind keine Spießer. Wir sind normal." |
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Mit Deep-Purple-Gedächtnisfrisur, Einheitsparka und Palästinensertuch, so hätte Theo die schicke Anke in ihrem Madonna- Outfit sicher damals nicht in der Disko kennen gelernt, falls sie sich denn getroffen hätten. Zu unterschiedlich wären sie sich acht Jahre zuvor noch gewesen. Doch dann, auf der Germanistikparty, die Anke mit ihren Kommiliton:innen im Asta-Raum veranstaltete, kamen sie sich näher. Sie in ihren lila Leggings zu hochhakigen Stiefeln, er hat es immerhin stylishtechnisch zu Jeans mit weißem Leinenhemd und Nickituch im kurzen Wuschelhaar gebracht. Ein Theaterbesuch hat das Ehepaar 50+ unvermittelt und unfreiwillig in ihre Vergangenheit befördert. Kurz vor Stückbeginn hatten sich die Beiden wie frisch aus der Umgebung Harvestehudes hereingeweht auf der Suche nach ihrem Sitzplatz durch die Reihen gedrängelt. Sie fanden ihn auf der Bühne in einer Stuhlreihe vor dem Vorhang. Die Gutbürgerlichkeit war unübersehbar. Ebenso der Missmut, mit dem Theo hier war. Doch die Gründe waren ganz andere, als Anke vermutete. Da der Sohn diesen Abend das erste Mal bei seiner Freundin übernachtete, hätte Theo die sturmfreie Bude gerne für andere Dinge genutzt. Zumal der Sex seines Sohnes ihn neidisch gemacht hatte. Das verrät er allerdings Anke nicht, sondern nur dem Publikum, als ihm der weibliche Theatergeist in Gestalt einer Bühnenarbeiterin ein Mikro in die Hand drückt. Immer wieder im Verlauf dieses Theaterabends "Was war und was wird" der beiden Erfolgsautoren Lutz Hübner und Sarah Nemitz werden beide dieses nutzen, wenn sie ihre ureigensten Gedanken, Wünsche oder Überlegungen mitteilen wollen, die sie nicht offen aussprechen können. Denn dass Anke am liebsten getrennte Schlafzimmer hätte, teilt sie auch nur dem Mikro mit. Ihrem Mann mutet sie diese Info nicht zu. Aus dem Dennoch-Verlieben auf der Studiparty ergibt sich ein Zusammenziehen, eine ungeplante Schwangerschaft und schließlich Heirat, Haus, zwei Kinder und die übliche Rollenverteilung. Anke bleibt zu Hause und Theo geht arbeiten. Obwohl er immer noch der Unsichere ist und Anke die Selbstbewusstere und Pragmatischere. Ihre Beziehung lebt und leidet von seinem Gefühl, dass er ihrer eigentlich nicht würdig ist. Irgendwann werde sie draufkommen und ihn endgültig verlassen, so befürchtet er. Stephan Benson gibt diesen Mann mit Karriere, schöner Ehefrau, zwei gebildeten Kindern als einen, der immer noch unter einem unterentwickelten Selbstwertgefühl leidet. Er ist der gutmütige Teddybär, der sich figürlich hat gehen lassen, im Gegensatz zu seiner immer noch sehr attraktiven Frau (Nina Kronjäger). Lebenserfahrung, keine Spur, nichts, was er seinen Kindern mitgeben könne, so vermutet er selbstzweifelnd. Alle Fragen würden sie sowieso mit ihrer Mutter klären. Doch sie bleiben zusammen, wider seiner Erwartung. Auch die kritische Phase nach dem Auszug der Kinder überstehen sie. Denn das Leben hat neue Herausforderungen für sie bereit: Anke bekommt ein Zukunftspaket vom der Theatergeistin hingestellt: Sie hat Krebs. Plötzlich sind die Rollen vertauscht und Theo hat eine Aufgabe. Entgegen seinen Erwartungen meistert er sie mit Bravour. Er ist für seine Frau da, er wird für die Kinder zu einem Kümmerer, Berater und Babysitter. Endlich mit fast sechzig fühlt er sich bei sich angekommen. Doch die Theatergeistin hat auch für Theo ein Überraschungspaket bereit: Er verliert allmählich sein Gedächtnis. Nun ist Anke wieder die, die den Überblick behalten muss. Bühnenbild Fehlanzeige, so drückte es Theo aus, als sich der rote Vorhang zu Beginn öffnete. Alles improvisiert, alles vorläufig. So wie das Leben, dass sich nicht nach gestalterischen Gesichtspunkten ordnen lässt. Immer heißt es flexibel bleiben. Zum Glück hilft da die Theatergeistin auf die Sprünge, hält Requisiten bereit, spielt den richtigen Song zur richtigen Zeit ab und springt schon mal als dritte Rolle mit ein. Alexa Harms ist die grandiose Wundertüte dieser Inszenierung. Wie sie das Ehepaar mit kleinen Gesten, einem Augenaufschlag, der Reichung von Requisiten oder einer Flamencoeinlage zu immer neuen Erinnerungen, Erkenntnissen und Erfahrungen animiert, ist dank der risikofreudigen und überraschenden Inszenierung von Sewan Latchinian ebenso sehenswert wie der schnelle Wechsel der Eheleute durch die Lebensphasen ihrer Beziehung. Auch sicher aufgrund des hohen Wiedererkennungsfaktors gab es am Schluss überaus begeisterten Applaus vom Harvestehuder Publikum. Birgit Schmalmack vom 5.1.24
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Was war und was wird - Hamburger Kammerspiele © Anatol Kotte
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Zur Kritik von |
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Was man von hier aus sehen kann, Kammerspiele Fräulein Julie, Kammerspiele
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