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Dieses Frollein ist wundervoll

Der Putz bröckelt von der Decke, an der Wand hängt eine Karte der Okkupationsbereiche von "Germany". Hier in diesem Schulzimmer soll der Grundstein für eine Frauenband namens "Das Beste am Norden" gegeben werden. Das hat sich Rosa fest vorgenommen, denn sie will endlich raus aus dem Mief des Nachkriegsdeutschland Ende der 40-er Jahre. Sie ist es leid, dass die Trümmerfrauen wieder einmal "den Kerlen alles hinterher räumen" und wenn diese dann zurückkehren werden, ihnen sofort wieder Platz machen sollen. Das hat auch Hilde, die bald darauf in Gummistiefeln zur Tür hereinkommt, erfahren. Ihr Bruder ist wieder da und bestimmt ab sofort über ihre Arbeit im Kuhstall. Auch die hereinkommende Käthe von Halstenbek, eine Schneiderin mit Gesangsausbildung, hat genug von bevormundenden Männern. Ihrer will ihr das Singen verbieten und ist aus Protest wieder zu seiner Mutter nach Eidelstedt gezogen.
Captain John McGintley, der Organisator des „Anglo-German-Swing-Festivals“, schneit immer mal wieder herein, um den Fortgang der Bandbildung zunächst skeptisch zu verfolgen. Doch als diese einen kurvenreichen Neuzugang bekommt, weicht diese Skepsis akuter Verliebtheit. Denn er weiß nicht, dass sich unter dem roten Topfhut der Bandleader und Pfarrer verbirgt, der kurzerhand für die stimmlich mit weniger "Knöv" ausgestattete Rosa einspringen musste. Die wiederum hat ihre Enttäuschung darüber bald überwunden und in ihr keimen ungeahnte Gefühle zu diesem Wesen im Kleid auf, dem mit allerlei Sockenzutaten zu mehr Oberweite verholfen wurde. Schon bald swingt es in dem Schulzimmer. Das liegt auch an der Band, die sich hinter seiner Rückwand befindet, die bei Bedarf durchscheinend werden kann.
Das diese verrückte Story zu einem überaus gelungenen Komödienabend im Ohnsorg wird, der das Publikum zu Lachsalven und Begeisterungsstürmen hinriss, liegt zu einem Großteil an Cem Lukas Yeginer, der mit seinem verdrucksten Charme und sympathischer Selbstunterschätzung keineswegs eine Travestienummer hinlegt, sondern im Gegenteil einen soften Mann spielt, der aus Hilfsbereitschaft in Frauenklamotten schlüpft und nun in der Zwickmühle zwischen den Geschlechtern feststeckt. Yeginer macht das mit viel Understatement und Augenzwinkern, dass man seinem Spiel hingerissen zuschaut. Doch auch der Rest des Ensembles ist wunderbar. Yeginers Vater (Murat Yeginer), der gleichzeitig Autor und Regisseur des Stückes ist, gibt den Captain und muss damit schließlich auf der Bühne seinen Sohn in Gestalt von Wally anhimmeln. Tanja Bahmani ist ein musikalisches, kesses Naturtalent, das sein Schicksal ohne große Scheu und ohne langes Nachdenken selbst in die Hände nimmt. Caroline Kiesewetter gibt die fein tuende Hilde, die zunächst mit einem Stock im Hintern zur Tür hereinkommt und im Laufe der Proben immer mehr Herz und Lebenslust zu zeigen wagt. Nele Larsen brilliert als tatkräftige Initiatorin der Band, die an den Klaviertasten ebenso überzeugt wie als Tänzerin und Sängerin.
Denn davon lebt der Abend auch: Allesamt sind nicht nur schauspielerische sondern auch musikalische Talente. Auch wenn die Frauenband im Stück beim „Anglo-German-Swing-Festivals“ nicht über den Vorentscheid hinauskam, gewann sie dennoch den Herzenspreis des Publikums. Sehr verdient, kann man nur sagen. So waren am Schluss, nachdem sich trotz der Widrigkeiten Liebespaare gefunden hatten, etliche Zugaben fällig, bevor das Publikum sie im Ohnsorg Theater entließ.
Birgit Schmalmack vom 31.12.24




Dat Frollein Wunder, Ohnsorg Oliver Fantitsch


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