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Akins Traum (Vom Osmanischen Reich), Thalia

Zur Kritik von

Akins Traum, Lessingtage

Wiener Burg

Man darf doch wohl mal träumen

https://www.nachtkritik.de/nachtkritiken/deutschland/nordrhein-westfalen/koeln/schauspiel-koeln/akins-traum-vom-osmanischen-reich-schauspiel-koeln
https://www.derstandard.at/story/3000000249507/wie-akins-traum-vom-tuerkischen-grossreich-am-burgtheater-verpufft
https://www.sn.at/kultur/allgemein/von-koeln-wien-akins-traum-reich-170211334
Akin ist unterwegs auf seinem E-Roller zu dm, um im Auftrag seiner Frau Feuchttücher zu besorgen. Doch dann scheint er mit seinem Roller falsch abgebogen zu sein und schon befindet er sich mitten unter Mönchen in einem entlegenen Bergdorf. Staunend steht er in seinem strahlend blauen Pullover mitten unter den einheitlich schwarz gekleideten Figuren, die von der Einfachheit und Schönheit der kleine Dinge sprechen. Einmal in dieser Traumebene gelandet, scheint er immer weiter hinein zu geraten in die Historie. Er wird zum Zeugen, wenn ein gewisser Osman zum Begründer des Osmanischen Reiches auserkoren wird. Wider Willen muss man sagen und unter großen Schmerzen. Dieser einfache Mann, der sich keineswegs zum Herrscher geeignet fühlt, erträumt sich noch einen inklusiven Weltentwurf für die Gründung dieses Reiches. So erlaubt er sogar die "Mischehe". Zumindest so lange, wie die Nicht-Muslime höhere Steuern bezahlen. Doch seine Nachfolger sind nicht alle so weltoffen unterwegs. Je länger das Reich andauert und je mehr Gebietsgewinne es verzeichnen kann, desto restriktiver und gewaltvoller werden auch seine Herrschaftsformen.
Als Alter Ego des Autors Akın Emanuel Şipal steht Mehmet Ateşçi auf der Bühne. Immer wieder holt ihn seine heutige Realität als Ehemann und Vater ein. Dann tauchen die Feuchttücher in seinem Traum auch schon einmal in der Hand einer historischen Person auf. Oder er macht sich selbstkritische Gedanken darüber, wie unerfüllbarer sein Vorhaben die Geschichte des Osmanischen Reiches auf die Bühne zu bringen doch sei.
So gerät Şipals Ansinnen eher zu einer Aneinanderreihung von Anekdoten rund um den jeweiligen Machthaber als zu einer historisch korrekten Darstellung, aber das ist wohl auch legitim. Wer als Deutscher mit türkischen Wurzeln bisher nur die Darstellung in deutschen Geschichtsbüchern angeboten bekam, darf schon einmal von einer alternativen, eventuell ebenso bruchstückhaften Geschichtsschreibung träumen.
Stefan Bachmann inszeniert dies alles als traumhaften Bilderbogen, der genau an der Nahtstelle zwischen märchenhafter Übertreibung, traumhafter Fantasie und Aufprall auf die Realität spielt. Dass dieser Balanceakt in dem Gastspiel der Wiener Burg im Rahmen der Lessingtage funktioniert, liegt auch an der grandioser Leistung der wandlungsfähigen Schauspieler:innen, allen voran Ateşçi, der mit seiner wohltuenden Selbstironie seinen eigenen Traum immer wieder auf den Boden der Tatsachen in Gelsenkirchen zurückholt.
Birgit Schmalmack vom 30.1.25

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