Textversion 

Die Oberschicht entlarvt sich selbst

Theater machen, das kann doch nicht so schwer sein, denkt sich Bertie Wooster (Michael Parker). Er hat doch so eine tolle Story zum Besten zu geben, warum nicht auf einer Bühne? Doch er hat wie so vieles auch diesen Plan nicht zu Ende gedacht. So hakt schon der Beginn seines Bühnenauftritts, während er versucht, die zwei Personen seines Anfangsdialogs selbst zu spielen. Zum Glück hat er ja seinen Butler Jeeves, den er kurzerhand ruft und der ihm ab sofort hilfreich zur Seite steht. Nicht nur in schauspielerischer Hinsicht sondern auch mit zahlreichen Ideen, um ihm immer wieder aus der Klemme zu helfen. So organisiert er flugs noch eine weitere Darstellerin und schon kann die Story endlich richtig erzählt werden.
Doch man müsste schon der britischen High Society angehören, um nachvollziehen zu können, welche weltbewegenden Probleme Wooster hier mit Hilfe seines Butlers im Laufe des Abends überwinden muss. Da geht es um so wichtige Dinge wie den Erwerb eines silbernen Kaffeesahnetöpfchens in Form einer Kuh, um das Verschwinden ein ledernes Notizbuch, die Ausladung am Dinnertable der Tante und die fast scheiternde Vermählung der Nichte mit Woosters, der zum Unverständnis aller in seinem Schlafzimmer mit Fröschen experimentiert.
"Jeeves & Wooster" sorgte als britische Comedy-Serie nach den Geschichten von P.G. Wodehouse seit den 1990-ern im TV für viele Lacher. The Goodale Brothers machten daraus ein Theaterstück. Was sich hier nun unter der Regie von Paul Glaser am English Theatre mit den drei Verwandlungskünstlern abspielt, ist wahrhaft ein "Perfect Nonsense", wie der Titel schon verrät. Dafür verwandelt sich die Bühne mit wenigen Requisiten vom Salon in ein Antiquitätengeschäft, vom Auto in einen Club, von der Bücherei in ein Schlafzimmer. Dieses Stück karikiert die britische Oberschicht auf genüssliche Weise. Ihre Exzentrik, ihre Selbstbezogenheit und ihre Realitätsferne dreht Kapriolen, dass die Lacher fast im Halse stecken bleiben, so abgehoben sind sie von den Sorgen der Normalbürger. Die drei Schauspielenden sind allesamt Könner ihres Fachs, besonders William McGeough und Katherine Rodden glänzen als die Zwei, die in alle Rollen, die Woosters für seine krude Story benötigt, ganz nach Bedarf in Sekundenschnelle schlüpfen, ganz unabhängig von ihrem Geschlecht. Rodden kann sowohl keifende Tanten wie gefährliche Schlägertypen und McGeough kann distinguierte Butler ebenso wie verführerische junge Damen spielen. So darf das Publikum sich über den perfekten Unsinn, den die Drei hier veranstalten, amüsieren und sich einmal für zweieinhalb Stunden dem Alltag, der verglichen mit diesem Unsinn plötzlich ganz vernünftig erscheint, enthoben fühlen.
Birgit Schmalmack vom 27.12.24




Jeeves & Wooster, English Theatre Urheberrecht: Stefan Kock


Druckbare Version


Alles was wir nicht erinnern, Thalia