Studienprojekte HfMT



Die 51R3N3N

Poseidon (Daniel Kuhlbrodt) ist der Gott der Zeit, denn er ist nicht nur der Gott des Meeres sondern auch des Netzes. So wechselt Nik liebend gerne von den Diensten des Helios zu Poseidon und steigt von seiner Sonnenbank herunter. Verführt haben ihn dabei die Sirenen, die mit wehendem Umhang und schrillen Tönen auf Menschenfang gehen. Fortan ist er ein Mitglied dieser Gemeinschaft. Als Gehilfen des Gott des Netzes verleiten sie heute die Menschen zu ihren Angeboten des www. Sie bieten ihre Vermittlungsdienste an, sie preisen ihre sexuellen Vorzüge freizügig an, sie geben ihre Geschichten preis und sie sprechen sogar von Schuld frei. Denn Moral und Schuld, solche Kategorien sind out, wenn der offene grenzenlose Markt der Möglichkeiten aufgespannt werden soll. Diese witzige Idee verfolgt der Regiestudent Felix Maria Zeppenfeld mit seiner Arbeit. Dazu vermengt er ohne Genre-Bedenken alt und neu, Antike und Moderne. Dennoch fehlt dem Projekt die Dringlichkeit, die erst ein Daniel Kuhlbrodt spielend mit seiner Geschichte seiner lebenslangen und jetzt verstorbenen Liebe auf die Bühne zaubert. Warum er allerdings unbedingt nackt auftreten muss, bleibt ein Rätsel.

Babylon// Exodus
Ein sehr ambitioniertes Projekt hat sich Gregor Schuster vorgenommen. Den Ursprüngen der Rastafari-Bewegung wollte er unterhaltsam und zeitbezogen nachzeichnen und zudem ein Nachdenken über die Vergehen der Kolonialgeschichte anregen. Ersteres ist ihm wunderbar gelungen, letzteres konnte er anstoßen. Dabei beginnt es mit viel Rauch und mit großen Worten: Mit vier Ganja-rauchenden jungen Leuten, die in szenigen Sportklamotten chillen und mit einer Berichterstatterin, die mit ernstem Duktus von den zwölf Stämmen aus dem Volke Juda berichtet, die Gott besonders am Herzen lagen und die er deswegen aus der Sklaverei unter den Ägyptern errettete. Und Ähnliches hatte die Äthiopier unter ihrem Führer Haile Selassies vor. Ihn sahen sie als den letzten Messias an, der die Rettung und Rückführung in die Heimat bringen sollte. Von dort ist es nur ein kurzer Weg zu Bob Marley und Lee Perry, die die Reggae-Musik berühmt machten und damit auch die Dreadlocks, die Ganja-Rauchen und die Rastafari-Religion zum Kultstatus erhoben. Die vier jungen Leute auf der Bühne fühlen sich in die jeweilige Zeitebene ein, schlüpfen in die verschiedenen Rollen und lassen das Lebensgefühl plus historische Dimensionen nachfühlbar werden. Ein höchst komplexer Ansatz für ein selbst entworfenes Stück. Der Spagat zwischen hippem Zeitgeist und trockener Geschichtslehrstunde ist ihm gelungen.
Birgit Schmalmack vom 9.1.17




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Kaiser von Atlantis, Theaterakademie
Große Sommeroper, Theaterquartier