Kaiser von Atlantis, Theaterakademie

Kaiser von Kalifornien Volksbühne

Vom der Todes- in die Popmaschinerie
Ein Kaiser, der zum Massenmord an der Menschheit aufruft - da verlässt nicht nur den immer positiv denkenden Harlekin der Lebensmut, sondern sogar den Tod seine Energie zum Töten. Plötzlich verweigert er seinen Dienst: Die Menschen können nicht mehr sterben und sind zum Weiterleben verdammt. Solange bis der Harlekin (Henning Kaiser) mitten im Krieg auf die Soldatin Bubikopf (Pia Carlotta Hansen) trifft und in der gemeinsam entdeckten Liebe die verhärteten Fronten überwindet.
Mitten im KZ Theresienstadt ist 1944 diese Allegorie auf den angeordneten Massenmord entstanden. Viktor Ullmann hat seine Musik auf die Rückseiten von Haftbefehlen notiert. Sie reicht von schrägen Zwölftonsequenzen über Sprechgesängen bis zu harmonischen Melodien. Sie lässt in keinem Moment das Zurückfallen in scheinbar sichere Gewissheiten zu.
Kaiser Atlantis Untergebene sind zu Robotern geworden, die sich auf Anordnung beugen, marschieren und schießen. Mit ihren Masken und in ihren Korsetts sind sie zu ununterscheidbaren Menschmaschinen mutiert, die keinen eigenen Willen mehr zu haben scheinen. 17 Volksvertreter hat die Jungregisseurin Aileen Schneider auf den Gerüstpodesten postiert, die um das Orchester herumgebaut worden sind. Die Machthaber nutzen sie als willige verfügbare Masse. Bis die Liebe diesem Tun ein Ende setzt. Dann legen sie ihre Masken und Rüstungen ab und setzen sich mitten unter das Publikum. Sie wirken in ihrer hautfarbenen Unterkleidung wie neugeboren. Gemeinsam schaffen sie es, dem einstigen Herrscher klare Grenzen zu setzen, als dieser auszubrechen versucht.
Schneider verzichtet darauf, die Oper in einem Ambiente zu inszenieren, das an seinen Entstehungsort erinnert. Ganz im Gegenteil: Sie betont die abstrakte Künstlichkeit der Rollen durch ihre Kostüme und Bewegungen. Der Tod (Tim Maas) ist ganz in Gold getaucht. Der Kaiser Overall (Justus Wilcken) hat Ähnlichkeit mit einem Dandy mit Mikro-Schnauzer à la Bent Jensen, der Trommler (Fie Freja Sandkamm) ist eine Popkönigin mit klackernden Highheels. Der Lautsprecher (Johannes P. P. Braun) ein Conferencier, der die Akteure wie Spielkarten aus dem Handgelenk zaubert. So erwies sich die Inhaltsangabe im Programmheft als äußerst hilfreich, um das allegorische Geschehen der komprimierten Oper zu verstehen. Hier erinnert nichts an den Holocaust und gerade dadurch macht Schneider das Spiel umso makaberer. Musikalisch beeindruckten besondern Henning Kaiser als Harlekin, Justus Wilcken als Kaiser und Johannes P. P. Braun als Lautsprecher, der zudem mit expressiver Körpersprache überzeugte. Ein interessantes Werk, das in dieser Inszenierung weniger düster als üblich und damit sehr modern wirkte. Das Publikum bekommt gleichzeitig den Spiegel, der die Rückwand überzieht, vorgehalten, während sich die farbenfroh herausgeputzten Akteure in selbstverliebter Selbstbespielung zu verlieren scheinen.
Birgit Schmalmack vom 24.11.16

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