Eine Frau, die weiß, was sie will!


Kabinettstück der Verwandlungskunst

Ein Stückchen Wand, eine Tür, ein Orchester und zwei Darsteller und schon ist sie da: " Eine Frau, die weiß, was sie will!" An die legendäre Fritzi Massary, deren Songs aus der Operette noch jetzt You Tube füllen, mag keiner mehr denken, wenn er Dagmar Manzel gesehen und gehört hat, wie sie die bekannte Chansons "Die Sache, die sich Liebe nennt", "Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben? " und "Jede Frau hat irgendeine Sehnsucht" anstimmt. Denn Manzel setzt in der Inszenierung von Barrie Kosky noch leicht einen oben drauf: Sie ist nicht nur die viel umschwärmte Schauspielerin Manon Cavallini, sondern spielt gleich ihren Verehrer Raoul Severac als auch den Vater ihrer Tochter Lucy mit. Max Hopp als ihr wunderbar flexibles Gegenüber gibt nicht nur jene Tochter Lucy sondern auch alle fünf Liebhaber der Cavallini und den Hausfreund Lucys.
So ist klar, dass zum Schlussapplaus nicht nur die beiden Sänger, der Dirigent sondern auch die vier Garderobiere mit auf die Bühne treten müssen. Ein Highlight der Verwandlungskunst ist die Szene, in der Manzel auf ihrer linken Hälfte als Manon, auf der rechten als Raoul und Hopp auf seiner linken Körperhälfte als Lucy und auf der rechten als ihr Hausfreund auftreten und ihre Kommunikation als ein Selbstgespräch inszenieren. Manzel und Hopp sind beide außerdem souveräne Beideseitetreter, die sich immer wieder mit lapidaren kleinen Gesten und Bemerkungen neben ihre Rollen stellen.
Mit diesen gekonnten selbstironischen Tricks nimmt Barrie Kosky der Operette ihre mögliche Süßigkeit und doch ganz ernst, denn schließlich handelt sie von einer ungewöhnlichen Frau. Eine Frau, die für ihre Zeit sehr selbstbewusst auftrat und sich einfach nahm, wonach ihr der Sinn stand. Eine Frau, die nicht darauf wartete, dass sie ein Mann eroberte sondern selbst gern aktiv wurde. Eine Frau, die auch ihre sexuellen Sehnsüchte nicht schamhaft versteckte. Dass Kosky dafür eine gestandene Frau wie Dagmar Manzel als Hauptdarstellerin nahm, transferiert diese selbstbewusste Haltung geschickt in die heutige Zeit. Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben, auch wenn sie die 50 schon überschritten hat?
Das Gastspiel der Berliner Komischen Oper in der voll besetzten Hamburger Staatsoper wurde vom Publikum begeistert gefeiert. Hier war man sich nach der schwereren Kost der letzten Aufführungen im Rahmen des Theaterfestivals schnell einig: Ein schöner unbeschwerter Abend!
Birgit Schmalmack vom 11.10.16




Eine Frau, die weiß, was sie will! Dagmar Manzel und Max Hopp Copyright: Iko Freese/drama-berlin.de


Druckbare Version


Zauberflöte, Staatsoper
La Bohème, Staatsoper