Zwischen Gruselkabinett und Kasperle-Theater
Auf dem spiegelndem roten Boden liegt eine riesige Blase. Aus ihr windet sich ein Menschlein, doch statt Gesicht hat es nur einen Skelettschädel. Mit ungelenken vorsichtigen Bewegungen versucht es die ersten Schritte. Ein Säugling, der seinen Weg aus der Fruchtblase heraus ins Leben wagt. Dennoch bleibt er unheimlich. So wie der Geburtsvorgang an sich.
Dem Mysterium der Schwangerschaft und der Geburt, also des Frauenkörpers, der einzig dazu in der Lage ist, geht Cora Sachs in ihrer neuesten Arbeit "Anatomie der guten Hoffnung" nach. Am Donnerstag hatte der erste Teil ihrer Trilogie dazu im Monsun Theater Premiere. Es wurde ein Parforce-Ritt zwischen Gruselkabinett und Kasperle-Theater durch die unrühmliche Historie des Mittelalters, in der Männer versuchten, sich die Macht über den Frauenkörper zu sichern. Medizinhistorische und religiöse Vorstellungen über die Abläufe im Innern der Frau. die die Gebärmutter mit einer Kröte und die Hebammen als Ursache allen Übels begreifen, bilden den Hintergrund für die ästhetische Berg- und Talfahrt, die Konrad Pablo in seinem Solo auf der roten glitschigen Bahn unternimmt. Da ist von wörtlichen Zitaten theologischer Größen wie Augustinus bis zum handgreiflichen Schlagabtausch zwischen zwei kleinen Fingerpuppen als Mönch und Bischof alles dabei. Gerade der Kontrast zwischen dem heiligen Ernst der Originalzitate und den Albernheiten aus dem Reich des Kindertheaters macht den Clash der Vorstellungswelten umso eindrucksvoller. Wenn die Obrigkeit die Bürger wie unmündige Kinder sieht, ist die Eigenreflektion fern und der Machtmissbrauch nah. Projektionen von historischen Abbildungen und religiöser Symbole geben den Rahmen, der deutlich macht: Dies ist ein Gruselkabinett der historisch belegten Fakten. Die Entmündigung der Frauen mündet in der Verbrennung der so genannten Hexen auf dem Scheiterhaufen.
Das letzte Bild erzählt von einer Jungfrau, die sich von ihrer Fut trennt, damit sie sich ihre Reinheit bewahren kann. Nur in der Abspaltung ihrer Geschlechtlichkeit kann also die Sünde vermieden werden. Dass dies keinesfalls das Ende dieser Geschichte sondern ein Cliffhanger ist, zeigt ein Blick ins umfangreiche Programmheft. Einerseits reicht das Gesehene und Gehörte dieses ersten Teils schon, um wahrhaft durchgerüttelt zu sein, und andererseits macht er umso gespannter, was der zweite Teil noch für Erkenntnisse zu Tage fördern wird.
Birgit Schmalmack vom 18.2.23