Nähe ohne Berührung

Deux, Kampnagel Foto: Helena Ratka


Bewegung teilen über Entfernung. Begegnung erlauben aus der Distanz. Nähe erleben ohne Berührung. All das und noch mehr versuchen die drei Tänzer*innen Jenny Beyer, Chris Leuenberger und Nina Wollny in ihrer hybriden Arbeit "Deux".

Wenn Jenny ihre Hand ausstreckt, scheint sie Ninas Hand zu berühren. Doch es ist nur die die Berührung zweiter projizierter Bilder. Denn Jenny steht in der Hamburger Halle auf Kampnagel und Nina in ihrem Studio in norwegischen Trondheim und die einzelnen Zuschauenden sitzen irgendwo an ihren Endgeräten. Dennoch gibt es die Momente, in denen der Eindruck entsteht, dass die beiden Frauen tatsächlich zu einer tänzerischen Verständigung finden und dies sogar mit ihrem nur virtuell anwesenden Publikum teilen können. Sie ahmen einander nach und suchen den Einklang in ihren Bewegungen. Sie spiegeln sich, sie stoßen sich an und sie streicheln sich mit ihren Haaren. Sie kommen sich sehr nah und entfernen sich wieder von einander.

Im zweiten Pas de Deux sind Jenny und Chris nur als Schattenrisse im grellen Gegenlicht zuerkennen. Vor der hell erleuchteten Hinterwand scheinen sie zu einem Körper zu verschmelzen. Sie lehren ihren Rücken aneinander, ohne sich jedoch tatsächlich zu berühren. Auch in der vermeintlichen Nähe des geteilten Studios ist keine Berührung möglich. Im letzten Teil versuchen Chris und Nina eine Verständigung über gemeinsam geteilte Erinnerungen. Vorsichtig mit großer Achtsamkeit werden nun, wie zuvor die Bewegungen, die Worte und Beschreibungen gesucht, die die Distanz überwinden könnten.

"Deux", der zweite Teil einer Trilogie zu klassischen Tanzformen, ist eine Arbeit, die von dem tiefen Wunsch nach Intimität spricht, die nicht nur in diesen Zeiten so sehnsüchtig vermisst wird. Auf vielfältige Weise spüren die drei Tänzer*innen diesen Gefühlen nach. Eine weitere Ebene, die jeder dieser Live-Abende suchte, war die Nähe und der Austausch mit dem Publikum der Zoom-Konferenz. Auch hier nutzte die Choreographin Jenny Beyer die digitalen Mittel so locker und geschickt, dass für einen kurzen Moment eine Begegnung auch in dieser Form erlebbar wurde.

Birgit Schmalmack vom 11.4.21