Es lebe die Hochkultur




Svenja will eigentlich groß raus. Doch ihr You-Tube Kanal hat nur acht Follower. So arbeitet sie als Hospiz-Clown und klebt sich ihre rote Nase für die Patienten an. Doch sie gibt nicht auf. Denn sie glaubt an ihr Potential. in ihren "humornistischen Tutorials" erklärt ihren paar Zuschauer:innen beständig und immer wieder aufs Neue ihre Art von Humor. Denn sie will mehr als nur unterhalten. Sie will aufklären. Doch wen eigentlich? Vielleicht auch sich selbst? Denn sie hat ebenso beständig einen Kerl an ihrer Seite, den Don, der ihr immer in die Breche fährt. Während sie sich bemüht humanistischen Humor zu verbreiten, platzt er mit aus ihrem Unterbewusstsein mit dunklen Vorstellungen ins laufende Programm. Während sie sich tapfer um den politisch korrekte Witz bemüht, stößt er tiefste Klischeebilder hervor, die jeder idealistischen Haltung entbehren. Doch selbst wenn der Don einmal seine Klappe hält, offenbart Svenja ihren Klassisismus unverhohlen. und ohne es zu merken. Sie braucht den Don nicht um sich selbst zu entlarven. Schließlich hält sie sich ihren Dienstleistungsproletarier namens Aram, der in all ihren Sketchen und Pseudo-Talks auftreten muss, um ihr Aufklärungsobjekt zu spielen. Die Richtung der Aufklärung ist eine Einbahnstraße und streng hierarchisch gegliedert. Der Arbeiter ist der ungebildete Untermensch, der von der akademischen Komiker emporgehoben werden muss. Auch wenn diese nur zum akademischen Prekariat gehört und eher den Wischmop als den Laptop bedient. Abgrenzung nach unten wird hier par exellence betrieben. Mit dem guten Gefühl alles richtig gemacht zu machen. Die Populären Klassen sollen mit Popkultur belehrt werden. Doch nie um Gleiche unter Gleichen zu werden. Es lebe der Unterschied zwischen der Hoch- und der Tiefkultur. Es leben die Klassenunterschiede! Nora Abdel-Maksoud hat ein überaus intelligentes Theaterstück über die Entlarvung der politischen Über-Korrektheit geschrieben, das gnadenlos die Abgründe hinter ihrer gutmenschelnden Fassaden freilegt. Ein fulminanter Theaterabend. Ihn als klug zu bezeichnen, wäre eine Untertreibung. Er erwischt sein Publikum genau da, wo es wehtut.
Birgit Schmalmack vom 16.11.21