Das Schloss, Schauspielhaus


Direkt aus der Bürokratenvorhölle

Ein Labyrinth aus Gerüststangen dreht sich auf der Bühne. In dunklen Nebel getaucht sind nur schemenhaft die zahlreichen Auf- Ab. und Übergänge zu sehen. Mit Werkzeugen wird lautstark gehämmert. Mit Trennscheiben Funken gesprüht. Ein Mann steht ratlos davor. Wo ist er hier gelandet? Angeblich soll er hier einen Auftrag zur Landvermessung ausführen. Vom "Schloss" hat er dazu die Einladung erhalten. Doch davon weiß hier unten auf der Baustelle keiner etwas. Doch der Landvermesser K. (Carlo Ljubek) will so schnell nicht aufgeben. Jeder hat hier seinen streng legitimierten Platz. Da bedeutet so ein Fremder nur Unruhe. Besonders unter den Frauen. Die Tochter der Gastwirtin verguckt sich sofort in K. Doch auch die Gastwirtin lädt ihn in ihre Badestube ein. Auch die Frau seines Vorgesetzten bietet ihn einen Platz in ihrem Bett an. K. laviert sich durch das Labyrinth aus geschriebenen und ungeschriebenen Regeln und Vorschriften. Immer auf der Suche nach dem ominösen Herrn Klamm, der hier über alles zu bestimmen hat. Doch ob er wirklich existiert, erfährt K. bis zum Schluss nicht. Doch er scheint ihm immer eine Etage näher zu kommen.
Auf der vertrackt unübersichtlichen Drehbühne kann man schnell den Durchblick verlieren und sich im Behördenwirrwarr verlaufen. Doch irgendwann hat K. die höchste Stufe erklommen. Er hat es scheinbar bis ins Schloss geschafft. Er wird ihm der Schlüssel zur überreicht, der ihm den Eintritt verschaffen soll. Doch in dem Moment schweben Hunderte von kleinen Vorhängeschlössern von der Decke herab.
Victor Bodo hat aus dem unvollendeten Roman von Franz Kafka eine andeutungsreiche Inszenierung geschaffen, die das Premierenpublikum am Samstag begeisterte. Zu Recht. Das Bühnenbild spricht für sich. Das Ensemble brilliert in allen Rollen. Das Live-Orchester untermalt die mysteriöse Atmosphäre versiert. Bodo hält geschickt die Balance zwischen Bedeutungsschwere und Unterhaltung. Er würzt den an Meta-Ebenen reichen Text mit Humor durch die verschrobenen Charaktere, die die Bürokratenvorhölle bevölkern.
Ein Fremder kommt an und gerät in einen Dschungel aus Regeln und Vorschriften. Er wird von einer Stelle zur nächsten geschickt. Alle Geschäftigkeit ist nur vorgetäuscht. Ein wunderbares Gleichnis auf eine undurchschaubare Dickicht einer Gesellschaft, die eine Scheinwelt der Geschäftigkeit vortäuscht.
Regisseur Bodo belässt es im Allgemeingültigen und überlässt es den Zuschauer/Innen es mit ihren eigenen Geschichten zu füllen. Jedem wird dazu etwas anderes einfallen. Ob das Hoffen auf die nächsten Vorstellungstermin, auf die nächste Beförderung, auf die ersehnte Aufenthaltsgenehmigung, auf die amtliche Anhörung. Obwohl jedem von Anfang an die Vergeblichkeit klar sein könnte, bleiben alle wie kleine Rädchen im Getriebe an ihrem Platz. Eine gelungene Umsetzung des zeitlosen Romans.
Birgit Schmalmack vom 25.2.20




Das Schloss im DSH Foto: Thomas Aurin

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NDR 
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