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Erzählen ganz ohne Worte
Zuerst huschen, hetzen, rennen graue Menschen vor der grauen Wand über die Bühne. Geschäftsleute mit Aktentasche oder Rucksack. Im schicken Kostüm oder im Businessanzug. Es schälen sich einzelne Charaktere heraus. Zwischen den Büromenschen schlängelt sich ein Obdachloser mit seinem Hausrat in einem Einkaufswagen hindurch oder eine dick in Steppmantel eingewickelte Alte drückt sich dicht an die Wand, um sich möglichst unsichtbar zu machen. Dann platzt die erste Farbe ins triste graue Einerlei. Die Szenerie wird bunter. Piloten und Stewardessen rollen mit ihren Rollkoffer im Geschwader über die Bühne, zwei Postboten fahren in ihrem Dienstfahrrad in Zeitlupe aufeinander zu. Chinesische Touristen strömen unter bunten Regenschirmen über die Szenerie. Auf einer Party geht die Post ab. Während vorne sich einer vor Begeisterung die Kleider vom Leibe reißt, treiben es hinten zwei miteinander. Mitten hinein in die Ekstase schreitet eine religiöse Zeremonie. Plötzlich dreht sich die Wand und wird zur Klagemauer. Betende Juden sind zu erkennen, doch dreht sich die Wand weiter, erscheinen auf der anderen Seite Palästinenser in derselben Haltung. Danach öffnet sich die Wand. Der hell erleuchtete Spalt wird zum Tor ins Paradies, durch das die Darsteller in Adam- und Evakostümen schreiten. Sie verfolgen gespannt die Handlungen ihrer Urväter Moses und Abraham und durchschreiten immer wieder das Tor zwischen Licht und Dunkel. Später laufen sie genau so unbekleidet über die Bühne, nur mit Schuhen und einer Aktentasche versehen. Alle Verkleidung ist ihnen genommen. Es sind diese kleinen gezielt gesetzten Kontraste, die die Spannung bei diesem Kaleidoskop Europas aufrecht erhalten. Peter Handke lässt sein wortloses Stück von 1991 auf einem Platz mitten in Europa spielen und zeigt durch eine Abfolge vieler einzelner Begegnungen die Veränderungen der Menschen im Laufe der verstreichenden Zeit. Das estnische Regieduo bleibt spinnt den Bogen bis in die Gegenwart und Zukunft weiter. Sie wagen auch einen Blick in die Zustände einer alternden Gesellschaft, die sich durch Einwanderung verändert hat. Da will ein junger Regisseur Darsteller casten. Doch vor ihm stehen nur alte gebrechliche Menschen, die er alle gnadenlos aussortiert. Schließlich übernimmt ein knackiger Brasilianer mit einer Sambashow die Bühne. Zum Schluss hetzen Chinesen statt der Europäer mit den Aktenkoffern über die Bühne. Letztere durften zuvor ihre Arbeitsplätze räumen und mit einem Umzugskarton über die Bühne schlurfen. Währenddessen wird ein afrikanisches, festlich gewandetes Paar in einem Boot von Weißen über die Bühne gezogen. Ein überbordendes Panorama haben Tiit Ojasoo und Ene-Liis Semper hier mit dem Thalia-Ensemble und Gästen angerichtet. Stimmungsvoll wird es durch eine durch eine Klangsymphonie, die aus den Reihen der Zuschauer erschallt, begleitet und geleitet. Die Sänger des Chores unter Leitung von Uschi Krosch sitzen mitten unter ihnen. Sicher eine Aufführung, die im Repertoire des Thalia eine herausragende Besonderheit bleiben wird. Birgit Schmalmack vom 6.5.15
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Zur Kritik von |
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Die Blechtrommel, Thalia Imperium, Thalia
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