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Der Mythos eines Mythos
Die Hippies in der Sowjetunion waren ein kleines überschaubares Grüppchen. Unverbesserliche Träumer, die Rockmusik auf dem Schwarzmarkt zu Höchstpreisen kauften, sich lila Schlaghosen anzogen, lange Haare wachsen ließen und von Freiheit träumten. Ihr Blick auf die Hippies im Westen war verklärt, von einer undefinierten Sehnsucht nach einem Ausbruch aus der Bürgerlichkeit geprägt, aus den fest gefügten Gesellschaftsbilder einer sozialistischen Kultur, in der das Individuum nicht zählte. Sie bewiesen Erfindungsgeist, wenn es galt die fehlenden Materialien durch Kreativität auszugleichen. So entstand zum Beispiel der "Rock auf Knochen". LPs und Singles von westlichen Künstlern wurden auf alte Röntgenbildern kopiert und so vervielfältigt. Der Alt-Hippie Leonid Grossmann führt eine der Originale am Plattenspieler auf der Bühne vor. Mit viel Fantasie ist der leiernde Song zu erahnen. Unverhofft ist Grossmann zum Museumsdirektor ernannt worden. Er soll zum fünfzig-jährigen Jubiläum von Woodstock in Moskau eine würdige Gedenkstätte erschaffen. So lädt er die Zuschauer im Thalia in der Gaußstraße in sein Museum ein. Zunächst im Sinne der neueren Museumspädagogik mit einem autobiographischen Vortrag, in den er Originalstücke, Erlebnisse aus seiner Vergangenheit und eingestreute Musikbeispiele einbaut. Mal vom Plattenspieler oder mal ganz emotional mit geschlossenen Augen selbst gesungen. Dann wird das Museum eröffnet und die Zuschauer schreiten durch den Fadenvorhang. Sie bekommen technische Ausstellungsstücke aus einem anderen Zeitalter zu sehen, aber auch Bilderfolgen vom Anti-Vietnam-Protest in Washington, gegengeschnitten mit den Bildern von der blutigen Niederschlagung des Prager Frühlings. Dann eröffnet sich in ihr Blick in den mittlerweile von Stühlen leer geräumten Zuschauerraum. Dort sitzt jeweils ein Vertreter der westlichen und östlichen Hippies: Jimmy Morrison (Merlin Sandmeyer) und Grossmann. Doch die Verständigung zwischen beiden schlägt fehl. Sie bleiben unversöhnt auf ihnen unterschiedlichen Treppenstufen, unverbunden, bis zum Schluss alle Utopien in Explosionen auf den Projektionsflächen aufgehen. "This is the end, my friend, of our elaborate plans..." Denn die Zeit der Ideale und Utopien ist vorbei, wie Grossmann feststellt. Der kleine Showteil, den Regisseurin Marina Davydova seiner persönlichen Museumsführung voranstellte, wäre verzichtbar gewesen. Er ließ fingierte Eröffnungsreden von zwei abwesenden Präsidenten (Putin und Trump) vorlesen, umtänzelte ironisch die auf den Boden geklebte Grenze zwischen Russland und den USA, spulte Klischees auf beiden Seiten ab und nahm patriotische Veranstaltungen allzu gewollt auf die Schippe. Abgesehen davon erlaubt die russische Regisseurin Davydova mit ihrer Inszenierung einen spannenden Einblick in die sowjetischen Perspektive auf die Hippiebewegung. Das im Westen gepflegte Woodstock- Image wird in der Perspektive des Ostens zu einem Mythos des Mythos. Wo der Westen die Hippies gerne als politisch motivierte Gegenkultur feiert, konnte man in der Sowjetunion in ihn kann alles hineinprojizieren, was im Osten verboten war. So geht es in diesem Stück nicht um einen differenzierten Blick auf Woodstock sondern im Gegenteil um die doppelte Verklärung. Oder um den "Schatten des Schattens", wie Grossmann (Felix Knopp) es ausdrückt. Birgit Schmalmack vom 27.5.19
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