Das Tier Baal
Baal atmet schwer, er röchelt, schnauft, singt, schreit, säuselt, bezirzt, drangsaliert, manipuliert, umgarnt und unterdrückt. Baal reduziert die Menschen auf eine Manipulationsmasse. Er wirft sie zurück auf ihre kreatürliche Basis. Dabei wird er selbst zum Tier, das zum Schluss elendig verreckt. Dieses Tier ist Thomas Thieme auf der Bühne, aber nur mit seiner Stimme, die aus seinem großen Resonanzraum seine Kraft bezieht. Als wenn er seine übergroße Verschwendungssucht zügeln muss, legt er dem Brechtstück „Baal“ die formalen Zügel einer „Konzertanten Aufführung“ an. In schneeweißem Hemd und schwarzer Anzugshose steht er am Mikro und trägt den Text vor. Er schlüpft in alle 25 Rollen, die Baal in dem Theaterstück umgeben, doch verschwimmen die Grenzen schnell zwischen ihnen. Alle dienen nur dem Zentrum Baal und somit werden sie alle schließlich zu ihm. Auch wenn Thieme in seiner ganzen Körperlichkeit vor den Zuschauern im St. Pauli-Theater steht, wird die Aufführung hier zu einem Hörstück. Begleitet von seinem Sohn Arthur an der E-Gitarre mit treibenden, einlullenden oder aufrührenden Klängen, steigt zwar die Achtung vor der Einfühlungsleistung, aber beginnt man doch die Zügel zu bedauern, die Thieme sich hier angelegt hat. Um wie viel eindrucksvoller wäre der Abend geworden, wenn Thieme so konsequent gewesen wäre, sich tatsächlich auf die Figur des Baals zu fokussieren? Wenn man, wie er als vor Beginn als lebendes Programmheft angekündigt hatte, tatsächlich einen alternden Baal auf der Bühne gesehen hätte, der sich an seine Jugend erinnert? Birgit Schmalmack vom 3.11.13
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