Zwei Frauen zwischen Tod und Leben
Zwei Frauen erleben einen Bewusstseinzustand zwischen Leben und Tod. Die eine erleidet einen Schlaganfall, die andere einen Unfall, der sie beide Beine kostet. Die erste ist eine Gehirnspezialistin, die ihre eigene Erfahrung sogleich für ihre Forschung nutzbringend verwenden möchte. Sie versucht mit Hilfe ihrer Studien zu den Aufgaben der linken und rechten Gehirnhälften das einzuordnen, was ihr gerade widerfährt. Die Blockade in ihrer linken Gehirnhälfte lässt sie abdriften in ein Lala-Land, das ihr die übersinnliche Erfahrung eines globalen friedvollen Wir-Gefühls beschert. Die Kommentare ihrer linken Gehirnhälfte sind abgestellt und ihre rechte hat das Regiment übernommen. Fast ist sie traurig, als man sie aus ihrem Nirvana wieder in ihren schmerzenden Körper auf die Erde zurückholt. Die zweite Frau liegt in ihrer überdimensionierten Körperlichkeit mit ausufernden Schaumstoffbrüsten und –schenkeln in ihrem Krankenbett. Eine Visite steht an. Die Zuschauer stehen in Arztkitteln vor ihrem Bett. Von Schmerzmedikamenten umnebelt, ihrer Beine beraubt, macht die Serbin das, was sie am besten kann: Sie spielt die Rolle einer flirtenden Frau. Die nach Deutschland ausgewanderte serbische Putzfrau hat sich damit abgefunden, dass sie ihr Leben nicht durch strategische Planung beeinflussen kann. Stets war sie gezwungen, pragmatisch das Beste aus ihren jeweiligen widrigen Lebensumständen zu machen, wenn sie sich nicht unterkriegen lassen wollte. Genau so macht sie nun in ihrem Krankenbett weiter. Ohne ihre Situation verstehen, einordnen oder bewerten zu wollen, lebt sie ganz im Jetzt, ohne über den Sinn oder Unsinn ihrer Wünsche und Äußerungen nachzugrübeln. Hat sie etwa das Nirvana, das sich die Frau Doktor erst mühsam erarbeiten wollte, bereits in ihrem Leben gefunden? Der Doppelmonolog von Meyer&Kowski, den sie in einem alten Hörsaal des UKE verlegen, regt durch die Konfrontation der beiden ganz unterschiedlichen Frauenfiguren zum Nachdenken Wahrnehmung und Einordnung von Realitäten an. Ute Hannig verleiht beiden Frauen eine Glaubwürdigkeit, die gerade durch krasse Unterschiedlichkeit an Ausdruckskraft gewinnt. Die vernunftbetonte, adrette Wissenschaftlerin redet von esoterischer Verbundenheit mit den Kraftfeldern des Universums, während die verschwitzte, dicke, verquollene Amputierte selbstironisch und charmant mit Florian, dem neuen Arzt, flirtet. Birgit Schmalmack vom 11.11.13
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