Vom Drama der menschlichen Unzulänglichkeit


Die Fortsetzung des Kultfilms Titanic, der trotz des von Anfang an eingebauten Spoilers ein riesengroßer Erfolg wurde, soll da anfangen, wo er geendet hatte: am Meeresboden. Doch dafür braucht das Bühnenteam Sand, und zwar viel Sand und das wird zu einem Problem. Denn wie sie bald feststellen, ist Sand zu einem weltweit begehrten Spekulationsobjekt geworden. Denn er steckt in so vielen Gütern, in denen man seine Bestandteile nicht vermutet: Sand braucht man nicht nur für die Herstellung von Beton und Glas sondern auch für Computerchips. So wird überall auf der Welt dieser Rohstoff, der nur scheinbar kostenlos zu haben ist, abgebaut und in die Welt verschifft.
So scheitert das Team auch in deutschen Gefilden an den Bühnenrohstoff zu kommen und fährt schließlich zu einer Erkundung des Problemfeldes nach Indien. Dort lernen sie von Aktivisten, wie den dortigen Flusslandschaften allmählich das Wasser ausgeht und damit fruchtbare Gegenden zu öden Landschaften verkommen, die den Anwohnern dringend benötigte Ackererträge verwehren. Den Profit ziehen dabei nicht die Einheimischen sondern ausländische Konzerne. So tragen wir in den reichen Industrienationen mit unserem Sandhunger für die Verknappung des Wassers im globalen Süden auch die Verantwortung. So weit, so interessant. Wie nun Markus& Markus aus diesem an sich eher drögen Stoff eine Parallele zum Hollywooddrama Titanic ziehen, ist schon eine reife Leistung. Da stehen die beiden Darsteller am Bug des auf der Bühne improvisierten Schiffdecks und blicken wie einst Winslet und DiCaprio in die Ferne. Da versuchen sie sich auf ein Holzbrett zu retten, während allmählich klar wird, dass die Situation auch in Indien immer hoffnungsloser wird.
Auch die Schiffführer der Titanic wurden ausgiebig vor den Gefahren der Überfahrt gewarnt, noch letzte Rettungsversuche blieben aufgrund menschlichen Versagens erfolglos. Ähnlich ist die Lage angesichts der Klimakatastrophe heute: Immer wieder mahnen uns die Wissenschaftler zur Einsicht und scheinbar sehenden Auges fahren wir einfach weiter Richtung Eisberg. Doch Markus&Markus wären nicht dieses einzigartige Performanceteam, wenn sie nicht auch bei diesem ernsten Thema jede Menge Unterhaltung bis hin zum Klamauk unterbringen würden. Ein sprechendes Sandkorn, zwei streitende Möwen und eine Karaoke-Einlage machens möglich.
Birgit Schmalmack vom 27.4.23




Titanic II, Lichthof Foto: Paula Reissig


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