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Wieder ein Kohlhaas nötig? |
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In seiner zu Recht gefeierten Arbeit zu den skandalösen Steuerhinterziehungen in Milliardenhöhe „Cum-Ex Papers“ hatte Helge Schmidt 2018 akribisch die Hintergründe recherchiert, detailreich und unterhaltend für die Bühne umgesetzt. Nun präsentierte er sein Folgeprojekt zu den Vorgängen, die sich speziell in Hamburg abgespielt haben, vor ausgewähltem Publikum im Lichthof Theater und online. Dieses Mal belässt er es jedoch nicht bei der dokumentarischen Ebene, sondern verknüpft seine Erkenntnisse aus der Archivrecherche und Gesprächen mit Experten mit einem Klassiker der Theaterliteratur. Denn „es würde mich nicht wundern, wenn sich irgendein Kohlhaas zu Wort melden würde“, meint einer seiner Interviewpartner, der Journalist Oliver Schröm vom NDR-Magazin Panorama, im Laufe des Abends. Grund genug für Schmidt die Ereignisse in Hamburg mit denen im Deutschland der Fürstentümer zu verschneiden. Schließlich wendet sich Kohlhaas gegen ein allgemeines Unrechtssystem. Weil ihm der Schutz des Gesetzes versagt wird, sieht er sich nicht mehr als Teil der Gemeinschaft und unternimmt seine eigenen Rachefeldzüge, zu denen er sich selbst ermächtigt. Eine ähnliche Lage scheint in Hamburg ab 2016 geherrscht zu haben. Obwohl da schon klar war, dass sich die Warburg-Bank im Zuge der Cum-Ex-Machenschaften Steuern in Millionenhöhe hat erstatten lassen, die sie nie gezahlt hatte, entschied die Hamburger Politik, dass man jeglichen Schaden von der Bank fernhalten wollte. Angeblich weil sie sonst Pleite gegangen wäre, aber wohl auch weil einige SPD-Ortsverbände daraufhin Spendenzusagen bekamen. Olaf Scholz, Peter Tschentscher und Johannes Kahrs sind Namen, die in diesem Zusammenhang immer wieder fallen. Erst eine Anweisung aus Berlin brachte die Wende und das Verfahren wurde erneut eröffnet. Abwechselnd zeichnen die vier Spieler*innen Jonas Anders, Ruth Marie Kröger, Günter Schaupp und Laura Uhlig die Vorgänge rund um Warburg nach. Die Experten (neben Schröm Fabio de Masi von der Linken und Gerhard Schick von Die Finanzwende) werden per Videoeinspielungen jeweils zugeschaltet. Die Darsteller*innen übernehmen aber auch die Rollen in dem Kohlhaas-Stück. Dazu wechseln sie, um die Willkürlichkeit der Obrigkeiten zu illustrieren, in deren völlig klamaukige Überzeichnung. Das wirkt jedoch eher überzogen als überzeugend. Dieser Verballhornung hätte der Text von Heinrich von Kleist nicht gebraucht, um seine Botschaft zu transportieren. Als die Spieler*innen dann im weiteren Verlauf um den Rebellen ihre schwarzen Hoodies mit dem gelben Aktivistenkreuz überziehen, fällt es deutlich leichter auch in die Kohlhaas-Geschichte mit einzusteigen. Doch auch so ist die Botschaft dieser dezidiert politischen Arbeit Schmidts sehr klar: Wenn das Rechtssystem von Vertretern desselben missbraucht wird, bricht sein Schutz weg und die Bürger*innen werden in den Boykott oder zur Selbsthilfe gedrängt. Damit die Menschen also nicht gezwungen zu „Kohlhaases“ zu werden, dürfen die rechtlichen Bestimmungen nicht durch ihre Umsetzung außer Kraft gesetzt werden. Birgit Schmalmack vom 16.6.21
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