Prächtiger Vogel Leierschwanz, Lichthof


Die Prächtigkeit der Freiheit

Der Prachtleierschwanz ist ein perfekter Nachahmer. Er kopiert, imitiert und variiert die Geräusche, die er um sich herum wahrnimmt. Er baut sich Bühnen im Urwald und führt seine Arien aus Geklauten auf, um die Weibchen zu beeindrucken. Das gelingt hervorragend. Die staunen und hören ihm gebannt zu.
Eine Frau ist ebenfalls von früher Jugend fasziniert von diesem Vogel. Er hat sie sogar zu ihrem Berufswunsch inspiriert: Pauline Jacob wurde Opernsängerin. Doch sie will sich befreien aus dem Status der Zuhörenden. Sie rückt dem Vogel auf den Leib und nutzt seine Art und Weise, um sich selbst auf der Bühne zu zeigen. Sie spürt seinem mythologischen Verwandten, dem begnadeten Sänger Orpheus, nach. Doch sie ist Orpheus und Erydike zugleich. Sie holt Teile des Publikum auf die Bühne und macht sie ihren Zuschauern. Sie entführt sie mit Kopfhörern in nebelumwaberten Traumwelten, die in eine Freiheit führen, die aus der Musen- und Nachahmerrolle austritt und die Gestaltung selbst übernimmt. Eurydike muss nicht erlöst werden und Pauline sich der vorgegebenen Ordnung verweigern.
Die Reihe "Stimme X" erlaubt genau das: "Stimme X" will das Musiktheater in einen ungewohnten Rahmen stellen. Opernklassiker hinterfragen, neue Formen suchen und individuelle Zugänge schaffen.
Jakob hat in ihrer ornithologischen Spurensuche der Prächtigkeit der eigenen Freiheit nachgespürt. Während sie sich selbst im ersten Teil auf dem Bühnentisch in Szene setzte, legt sie sich im zweiten Teil bewegungslos im Hintergrund auf den Boden und lässt die Texte und Melodien über Kopfhörer ein traumartiges Gespinst über die Zuschauer legen, auf denen sie selbst ihren eigenen Musikassoziationen, Meditationen und Gedankenreisen antreten können.
Birgit Schmalmack vom 11.11.19




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Theater der Nacht, Lichthof
"Comment ça va, Nasara?", Lichthof