Der Blick
“God is a black woman”. Stetig wiederholt die Performerin Duduzile Mathonsi in ihrer Arbeit „Bitch where the Fuck is my Manifesto?!“ gleich zu Beginn diesen Satz, während sie mit einem Reisigbesen sorgfältig den Boden fegt. Für ihre Performance setzt sie die Zuschauer mit auf die Bühne. Scheinbar sollen sie es sich gemütlich machen auf ihren Sofas und Sesseln, in ihrem abgezirkelten weiß umrandeten Arealen. Doch werden sie nicht ebenso zum Anschauungsobjekt? Während sie der Frau zusehen, wie sie tanzt, heult, schreit, singt, erzählt und stöhnt? Es geht schließlich auch um den weißen Blick auf eine schwarze Frau, mit dem Mathonsi spielt. Sie setzt die Weiblichkeit und Sinnlichkeit eines schwarzen Frauenkörpers in Szene, hinterfragt ihn und karikiert ihn um seine Bedeutung selbst zu definieren. Als einzige schwarze Schauspielabsolventin in Norwegen ist Mathonsi die Ausnahmesituation gewohnt. Nachdem sie von ihren Dating-Erfahrungen mit Männern erzählt hat, setzt sie sich auf den Barhocker am Rande und fängt an sich zu streicheln, zu stöhnen, sich Lust zu verschaffen. Das ist meins, stellt sie zum Ende fest. Mein Körper gehört mir. Wenn sie zum Schluss im grellen Scheinwerferlicht an einem Piano einzelne Tasten anschlägt und dazu ein tierisches Brüllen von sich gibt, müssen einige im Publikum ertappt lachen.
Nach dieser kleinen und dennoch anregenden Arbeit bot der zweite Festival-Abend des Nordwind-Festivals auf Kampnagel eine ziemlich niedrigschwellige und mitreißende Choreographie an. „The fishing dance & other cosmic confessions” von Sindri Runudde
verbindet Popkultur mit queer-feministischen Perspektive. Sieben Tänze führen die fünf Tänzer:innen vor und reichern sie mit persönlichen Geschichten an. Man denkt an Volkstanz, Schlager, Popsongs und Bewegungstraining. Runudde sprengt jeden herkömmlichen Rahmen der Einordnung. Darf man hier etwa einfach zusammen mit den sympathischen Performer:innen Spaß haben? Hier wird das Verbindende zelebriert statt das Trennende thematisiert. Keine Pädagogisierung, keine Politisierung wird hier betrieben. Gerade das schließt auf einmal alle mit ein. Könnte hier nicht jeder und jede mitmachen? So wird Volkstanz auf inklusiv, divers und politisch.
Birgit Schmalmack vom 10.12.21