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Besprochene Aufführungen |
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Jerada, Kampnagel |
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Meditation meets Euphorie
Trommeln hallen über die leere Bühne. Ein Mann im Mantel betritt sie und beginnt sich zu drehen. Gleichförmig findet er seinen Rhythmus zu den Trommelschlägen und kreist beständig um sich selbst. Nach einigen Minuten scheint sich eine kleine Veränderung anzubahnen. Er neigt den Kopf, er bewegt die Arme, sein Mantel fängt an zu schwingen. Bis ein weiterer Mann hinzutritt, scheint eine halbe Eweigkeit vergagnen zu sein. Eine Frau gesellst sich zu den beiden. Alle kreisen um sich selbst, doch jeder, das wird jetzt erkennbar, auf seine eigenen Art und Weise. Bald bevölkern immer mehr Tänzer und Tänzerinnen die Bühne, alle drehen sie um ihre eigenen Achse, bisher ohne sich zu berühren. Doch dann geraten die ersten zwei aneinander und stolpern für einen kurzen Moment. Scheinbar ungerührt finden sie schnell in ihren Drehrhythmus zurück und machen weiter wie zuvor. Doch etwas hat sich verändert. Die Einzelteile der Gruppe beginnen miteinander zu interagieren. Die Kleidungsstücke, die sie bei weiteren Auftritten mit auf die Bühne bringen, werfen sie sich gegenseitig zu. Schon blad beginnt sich das Kreisen um sich selbst in ein gemeinsames Laufen im Kreis zu verändern. Sie feuern sich an zu immer neuen Leistungen und Variationen an. Sie springen beim Laufen in die Luft, sie probieren neue Schrittkombinationen aus, sie steigern immer weiter ihre Geschwindigkeit, sie befeuern einander mit Rufen und Klatschen. Die Monotonie des stillen Umsichkreisens des Einzelnen mündet in die lauten Euphorie des Kreistanzens der ganzen Gruppe. Was mit einem sich ausbreitenden Gefühl der Langeweile begann, endet mit einer mitreißenden Begeisterung des Ensembles, die direkt in die Zuschauerreihen hinüberschwappte. Dass dieses Konzept von Bouchra Ouizguen mit der norwegischen Tanzcompany Carte Blanche so aufging, ist nicht zuletzt den außergewöhnlichen Talenten und individuellen Persönlichkeiten zu verdanken, die an diesem Abend auf der Bühne zu bewundern waren. Birgit Schmalmack vom 17.12.17
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Jerada Arash Nejad
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Schlaflose Nacht in Ouagadougou |
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Zum Angriff, Zeit zum Handeln!
Eine schlaflose Nacht des Aufstandes auf den Plätzen der Stadt Ouagadougou inszenierte Serge Aimé Coulibaly. Zwei Tage nach der Premiere stürzte der Präsident Blaise Campaore tatsächlich. Der Aufruhr gegen seine nicht enden wollende Herrschaft hatte gesiegt. Coulibaly hatten die Stimmung der Straße prophetisch auf der Bühne vorweg genommen. Seine vier Tänzer, drei schwarze Männer und eine weiße Frau, spielen die emotionalen Eruptionen des Aufstandes in den Tanzszenen nach. Meist vereinzelt, in wenigen Augenblick zu einer Gemeinschaft geformt, zuckend vor Aufregung und Wut, angespannt vor unterdrückter Gewalt, die sich zum Teil auch gegeneinander entlädt, immer bereit zum Sprung, verzweifelt und doch mit unglaublicher Energie aufgeladen, die niemanden schlafen lässt. Sie spüren ihre Macht des Aufbegehrens, sie erfahren die Kraft der Gemeinschaft und schrecken auch vor ihr und ihren letzten Schritten zurück.
Doch es gibt einen, der sie immer wieder antreibt. Seine Verse, seine Beschreibungen, seine Rhythmen spornen sie an, wenn sie zu erlahmen drohen. Er gibt die Richtung vor, er liefert die messerscharfen Analysen, er gibt den letzten Aufruf zum endgültigen Angriff. Der Rapper Smockey, ein prominentes Mitglied der Demokratiebewegung „Le Balai Citoyen“ liefert die textliche, poetische und politische Grundlage für die Choreographie von "Nuit blanche" von Coulibaly. Seine raue, markante und Stimme treibt die Straßenkämpfer zur Aktion. Er ist es auch, der dieser Arbeit von Coulibaly ihre ganz besondere Atmosphäre gibt. In der Zusammenarbeit der beiden Künstler ist ein mitreißendes, enervierendes Stück entstanden, das einmal mehr den politische Relevanz von Coulibalys Arbeit beweist.
Birgit Schmalmack vom 11.12.17
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Je(u)/ Gula |
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Kontrastreiche Erkundung der Schwerkraft
Zwei Solos, die auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben. Laurent Chetouane erkundet mit dem Tänzer Mikael Marklund den Körper und seine Beziehung zur Vertikalen. Der Tänzer und Choreograph Vincent Sekwati Koko Mantsoe verwandelt sich in seinem Tanz dagegen immer wieder von einem Menschen in einen Vogel. Wo der eine ganz in der konkreten Bewegungssprache bleibt, aber dabei auch den Versuch macht, der Schwerkraft zu entkommen, scheint der andere gerade die definierte Bewegung zu vermeiden, um so den Körper an sich in den Mittelpunkt zu stellen. Während der Tanz doch sonst mit der Körperspannung und mit dem Fokus arbeitet, scheint Marklund hier bewusst zu taumeln, um so die Stabilität zu vermeiden. Er kommt erst schwer aus der Horizontalen, robbt sich mit schlenkrigen Bewegungen am Boden vorwärts, bis er sich mühselig in die Vertikale hoch begibt. Doch seine Extremitäten scheinen zu schlenkern, immer wieder geneigt sich der Schwerkraft, der Anziehungskraft des Bodens zu ergeben. Er muss sich an den Wänden abstützen, schlendert im Raum umher, den Blick meist gesenkt, ganz auf sich und seinen Körper bezogen. Wo Mantsoe klar erkennbare Kopf- und Armbewegungen von Tieren nachahmt, die auf einen Mann transformiert worden sind und so in eine neue Bedeutungsebene transferiert werden, bleibt Marklund im Vagen, im Angedeuteten, im Labilen, im Instabilen. Eine kontrastreicher Tanzabend, dessen Rahmung Chetouane im anschließenden Publikumsgespräch tiefschürfend erläutern konnte.
Birgit Schmalmack vom 11.12.17
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Jace Clayton |
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Music 4.0
Die Lecture Peformance des New Yorker DJ Jace Clayton war ein Hochgenuss der intelleigenten Auseinandersetzung mit den jüngsten Entwicklungen in der digitalen Musik. Seine langjährigen weltweiten Erfahrungen als DJ kanalisiert Clayton in ein Buch mit dem Titel »Uproot: Travels in 21st-Century Music and Digital Culture«, das er jetzt im Rahmen des Nordwind-Festivals auf Kampnagel vorstellte. Auch wenn er einige Kapitel daraus direkt vorlas, wurde es keineswegs ein trockener Vortrag, denn Clayton hatte jede Menge passender Musikbeispiele auf seinem Laptop parat, um anhand von Filmausschnitten seine Thesen zur Music 4.0 zu erläutern. Das war ebenso kurzweilig wie erkenntnisreich. Denn Clayton vertritt im Gegensatz zu manch anderen Künstlern und Musikproduzenten einen optimistischen Sichtweise auf die neueren Musikentwicklungen. Durch die Digtalisierung sei die Musik jenseits der großen Geldströme der Musikverlage für jeden auf der Welt erreichbar und gestaltbar. So finde über das Netz ein interkultureller musikalischer Austausch statt, der die Möglichkeiten zur vermehrten gegensetigen Anregung und Befruchtung beinhaltete. Natürlich mag man einwenden, dass ein DJ eher zu dieser Ansicht gelangen kann als ein Songwriter, dem die Fragen des Copy Rights wohl eher am Herzen liegen, doch das Vergnügen an Claytons sympathischer, wohl formulierter und humorvoller Lecture Performance schmälerte dieser Aspekt nur ganz am Rande. Birgit Schmalmack vom 12.12.17
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Druckbare Version
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Five easy pieces, Kampnagel Mother Africa, Kampnagel
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