Homo Faber



Die Unberechenbarkeit des Lebens

Walter Faber (Oliver Moumouris) schätzt die berechenbaren Größen im Leben. Gefühle sind ihm suspekt. Die Suche nach Glück hält er für eine Schwäche der Frauen. Er hält sich lieber an die Tatsachen. So vermeidet er das Doppelzimmer als Dauerzustand seines Lebens. Rücken ihm die Frauen zu dicht, verdrückt er sich. Doch dann werden seine bisherigen Prinzipien zunehmend irritierend in Frage gestellt. Er überlebt einen an sich schon unwahrscheinlichen Flugzeugabsturz, er begegnet in Südamerika unvermittelt einem Studienkollegen, die baumelnd von der Decke hängt, und er verliebt sich in ein junges Mädchen, das sich später als seine Tochter herausstellt. Erst als es schon zu spät ist, erkennt er, dass das Leben nicht nur aus Berechenbarkeiten besteht.

Auf der Bühne stehen zwei gläserne Flächen (Bühne: Maria Martinez Peña). Die vordere besteht aus sechs Elementen, die sich zu immer neuen Räumen arrangieren lassen, und die hintere ist eine transparente Rückwand, auf der die Liveaufnahmen aus der Webcam projiziert werden, oft durch die Glaselemente davor gebrochen. Transparenz und Durchschaubarkeit gaukeln diese klaren Flächen nur vor. Die verwirrenden Brechungen lassen die vielfältigen Verknüpfungen des Lebens erst allmählich erahnen. Ein Sinnbild für die Erkenntnisfähigkeit Fabers: Er ist nicht dazu in der Lage, die naheliegenden Schlussfolgerungen zu ziehen, weil er zu sehr an die wahrscheinlichen Berechenbarkeiten glauben möchte.

Die Textfassung des Regisseurs Christof Küster bringt in knappen Sätzen die Schlüsselszenen auf die Bühne. Er schneidet in Fabers Text die Stimme des Erzählers hinein und kommentiert so hintersinnig dessen Denken und Handeln, indem er die beiden weiteren Schauspieler (Reinhard Froboess, Kathrin Kestler) nicht nur in alle weiteren Rollen schlüpfen sondern auch als Erzähler fungieren lässt. Moumouris ist ein wunderbar eigenwilliger und ausdruckstarker Hauptdarsteller. Wie er die Sätze dezent verschleift und mit prinzipientreuem Eigensinn bis zum bitteren Ende weitermacht, wirkt in jedem Moment authentisch. Das Gastspiel des Theater Lindenhof aus Melchingen ist das bisherige Highlight der diesjährigen Privattheatertage!

Birgit Schmalmack vom 26.6.14



Zur Kritik von

Abendblatt 
 
 



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