Geschlossene Gesellschaft
Hölle als ewige Konfrontation mit den eigenen Fehlern
Hier fehlt doch einer! Wo ist denn der Folterknecht? Das fragen sich die Ankommenden. Doch es wird sich herausstellen: Die Personage ist komplett. Denn die Hölle, das sind die Anderen in „Geschlossene Gesellschaft“ von Jean Paul Satre.
Die Kindsmörderin Estelle (Anna König), die Manipulatorin Ines (Julia Doege) und der Möchtegernheld Garcin (Pierre Kiwitt) sind miteinander gefangen in dem fensterlosen Raum, in dem das Licht nie ausgeht. Erwiesenermaßen schon im Leben beziehungsunfähig sind sie auch nach ihrem Ableben keine netten Zeitgenossen. Sie versuchen weiter zu tricksen, zu verführen, zu manipulieren und zu betrügen. Als Garcin es wagt, das Wort Vertrauen in den Mund zu nehmen, erntet er denn auch von den anderen nur ein müdes Lachen.
Drei sind immer einer zu viel. Mal verbünden sich die beiden Frauen gegen den Mann, mal macht die eine die andere eifersüchtig, mal versucht die andere den Mann mit Argumenten auf ihre Seite zu ziehen. Denn die Charaktere, die hier versammelt sind, sind sehr unterschiedlich. Der Journalist Garcin will eigentlich nur seine Ruhe und für nichts Verantwortung übernehmen, die oberflächliche, verwöhnte Estelle kann sich nur als Mittelpunkt der männlichen Aufmerksamkeit sehen und die strategische Ines muss immer alle Fäden in der Hand behalten. Alle finden schnell die wunden Punkte bei den anderen und nutzen dieses Wissen, um ihre eigene Position zu verbessern. Ein Unterfangen, das in dieser Konstellation zum Scheitern verurteilt ist.
Regisseurin Luisa Taraz hat im Nachtasyl ein intensives Kammerspiel arrangiert. Der Text ist so klug, dass er zeitlos aktuell ist. Taraz lässt zusätzlich die Stimmen in den Köpfen laut werden. Aus den Reihen des Publikums murmeln, flüstern, rufen und ermahnen sie: „Denk an mich!“ Die Hölle sind auch die eigenen Erinnerungen, die das Gewissen nicht zur Ruhe kommen lassen. Denn der Mensch ist zur Freiheit verdammt. Das verrät die Stimme (Laura de Weck) aus dem Hintergrund.
Birgit Schmalmack vom 26.7.13