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Der Prozess
Schuldlos schuldig?
„Die Justiz wird von der Schuld angezogen.“ So behaupten es jedenfalls die Beamten, die K. eines Morgens unvermittelt in seiner Wohnung verhaften. Doch K. ist sich keiner Schuld bewusst. Noch ist er fest davon überzeugt, dass die Gerechtigkeit zum Schluss siegen und seine Unschuld belegen wird. Kafka schildert in seinem Roman „Der Prozess“ eindrücklich, wie K. im Laufe eines Jahres einsehen muss, dass er in diesem ungleichen Machtverhältnis zwischen Bürger und Staatsapparat nie eine Chance gehabt hat.
Im „Lichtbildervortrag“ von Philipp Hochmair und Andrea Gerk wird der gängigen Rezeption eine neue Sichtweise hinzugefügt: Vielleicht war K. gar nicht so unschuldig, wie er dachte? Vielleicht hatte er in seinem Leben das Wesentliche übersehen und sich zu sehr seinem Karrierestreben, seinem Ehrgeiz, seinen Ablenkungen und Affären gewidmet? K.’s Selbstinszenierungen und Fantasiebildern gibt die Inszenierung Gestalt, indem Hochmair mit einem altmodischen Diaapparat Fotos an die Rückwand der Garage im Thalia in der Gaußstraße werfen lässt, die immer haarscharf an dem Behaupteten vorbeizielen. Wenn er von der Kammer berichtet, in der seinen früheren Wärter von einem Vollstrecker verprügelt werden, sieht man eine Tischgruppe von drei ältlichen Damen im Scheine einer Wohnzimmerlampe. Wenn er von dem Aufwärtstrend seiner Bank berichtet, sieht man das Dia eines springenden Hirsches in einer Schneelandschaft. Wenn er von den schmucklosen Verwaltungsgebäuden erzählt, in der zum Verhör geladen wird, ist Wohnghetto aus Betonklötzen zu sehen.
K. war jemand, der alles leicht nehmen wollte. Hochmair zeigt ihn als jemanden, der sich lange seiner Vorstellung von der Leichtigkeit des Seins verpflichtet fühlt und seine Augen nur widerstrebend für seine Schwere öffnen will. An seinem Gesicht kann man K.’s zögerliche, schmerzhafte Erkenntnisprozesse ablesen. Die Zuschauer können hautnah miterleben, wie ein erfolgsverwöhnter Sunny-Boy wird von der schmerzlichen Realität brutal eingeholt und demontiert wird. Ein intensiver Abend.
Birgit Schmalmack vom 20.2.13