Blind date, Nachtasyl



Verzweifelte Suche nach einem Neuanfang

„Das habe ich mir ganz anders vorgestellt“, meint Janna, „lass uns noch einmal von vorne anfangen“, und dreht auf dem Absatz wieder um.
Immer wieder werden Janna und Don ihre Szene wieder auf Anfang drehen. Und zwar im doppelten Sinne. Ihre inszenierten „Blind Dates“ sind ein Versuch einen Neuanfang in ihre in die Sackgasse geratene Beziehung zu versuchen. Dazu haben sie Inserate in die Zeitung gesetzt und sich in einer Bar verabredet. Sie schlüpfen in immer neue Identitäten, um sich selbst und ihre Beziehung neu erfinden zu können. Doch die Vergangenheit holt sie immer schnell wieder ein. Mal holt Janna ein Foto aus ihrer Tasche, das Don mit heftigen Rissen in Schnipsel verwandelt. Mal schlägt Janna mit wütenden Schlägen auf Don ein, mal bricht sie in Tränen aus, mal sinkt er zusammen. Der Unfalltod ihres gemeinsames Kindes, an dem sie sich gegenseitig die Schuld geben, hat sie in Trauer und Schuldvorwürfen aneinander kettet. Sie können nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander sein. Sie wollen sich jedoch nicht nur in ihrem gemeinsamen Schmerz treffen und suchen verzweifelt nach einem neuen hoffnungsvolleren Anknüpfungspunkt.
Das Rollenspiel eines Blind Date wird zu einem Schauspielerprojekt par excellence. Oda Thormeyer und Bernd Grawert meistern es mit Bravour. Minutenschnell schlüpfen sie von einer Rollenidentität in die nächste. Ein paar Handgriffe bei Frisur und Kleidung machen aus dem dezenten Kleid eine tief ausgeschnittene Salsarobe oder einen kessen Minirock. Regisseurin Anja Gronau hält die Spannung geschickt bis zum Schluss. Nur mit wenigen Andeutungen lässt sie den tatsächlichen Grund der zahlreichen Treffen der Beiden durchschimmern. Spannend wie ein Krimi darf sich der Zuschauer in der hautnahen Begegnung mit den Schauspielern im Nachtasyl seinen eigenen Reim auf Geschichten von Janna und Don machen.
Ein fesselndes Psychodrama in authentischem Ambiente, das die Stimmung vordergründig aufheizenden Karaoke-Vorführungen von Don wirklich nicht nötig gehabt hätte.
Birgit Schmalmack vom 28.11.11

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Abendblatt