Ein paar Eindrücke aus dem diesjährigen Festival:
Ungewöhnlich für ein Stück der Jungen Regie war das Stück " morgen bin ich gestern anders gewesen " von Pia Epping, das sie zusammen mit vier älteren Frauen an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main entwickelte. In langen Gesprächen mit ihnen spürte sie ihren unterschiedlichen Lebenserfahrungen nach und schnitt deren Transkripte dann in Einzelteile, die unter den Frauen für die Bühneinszenierung neu verteilt wurden. Auf der Treppenbühne, die mit Erdhaufen ausgestattet war, entstand so ein sehr intensiver, liebevoller, konzentrierter und unaufgeregter Abend, der einen detailreichen Einblick in die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Lebenserfahrungen dieser älteren Frauengeneration gab. Eine wunderbar schlichte und doch sehr spannende Arbeit, die auf dem jungen Festival heraus stach.
"On waves" von der Otto Falkenberg Schule war dazu ein Kontrast. Hier ging es zwar im Stil einer Radioshow in der Medienwahl auch in die Vergangenheit, aber die Inhalte spiegelten ganz die heutigen Diskurse wieder. Weg von der einseitigen Perspektiven einer weißen heteronormativen Bildungsbürgerlichkeit versuchten die vier Performenden auf der Bühne die Verbindung über alle Grenzen hinweg. Sie spürten den Wurzeln der Kultur nach und fanden den Ursprung des Techno bei Schwarzen Künstlerinnen. Sie fanden in der afrofuturischen Literatur Möglichkeiten von Lebenswirklichkeiten, die ganz im Einklang mit der Natur leben. Sie suchen in unterschiedlichen Musikstücken Verbindungslinien jenseits der üblichen Pfade. Immer wieder verlieren sie allerdings den Kontakt zur Außenwelt und müssen mühsam die richtige Frequenz einstellen, um dann wieder auf Sendung zu den unsichtbaren Zuhörern zu kommen. Die vier Darstellerinnen trugen futurische Designkostüme, die optisch viel lieferten, aber dennoch machte es der Show zu schaffen, dass sie in lauter Einzelteile zerfiel, was für ein Radioprogramm passend, aber sich für die Bühneumsetzung dennoch als schwierig erwies.
"Penelope" war das diesjährige Siegerstück des Körber Jungen Regie Festivals. Es hat so viele Ebenen, das die Komplexität beim unvorbereiteten Schauen überfordern kann. Eine junge Frau wird von der Außenwelt abgeschirmt. Sie wird in ihrem schwarz-weißen Schachbrettzimmer gefangen gehalten und ist nur von maskierten Haushälterinnen umgeben. In sehr kurzen Szenen versucht das junge Mädchen sich ihre Freiheit zu erstreiten, wird aber mit schwarzen Schnüren von den Aufpasserinnen an der kurzen Leine gehalten. Bis sie im zweiten Teil des Stückes zu einem Abendessen geladen wird und nun in die Gesellschaft eingeführt werden soll. Wieder eine weitere Form der Unfreiheit. Sie wird auf dem Esstisch den Anderen zum Fraß vorgeworfen. Sie legen ihr wieder Schnüre an, dieses Mal sind es allerdings Schläuche, mit denen sie versuchen, ihr das Blut abzusaugen. Doch das Mädchen hat einen Ausweg gefunden: Sie besitzt eine Fantasiegefährtin, ein Pferd, das hier in dieser Inszenierung durch eine Trapezkünstlerin symbolisiert wird, mit der sie sich in die Freiheit des Luftraums erheben kann. Giulia Giammona vom Mozarteum aus Salzburg hat das Drama von Leonora Carrington klug konzipiert und hochkünstlerisch und bildmächtig in Szene gesetzt. Erstaunlich ausgereift für eine Jungregisseurin.
Birgit Schmalmack vom 20.6.24