Blutrünstiges Clownsspiel
Blutrünstiges Clownsspiel
Ein leerer Pool steht in der Mitte der Bühne. Mit Fliesen gekachelte Wände ergeben ein rechteckiges Bad ohne reinigendes Wasser. Das befindet sich nur im hinteren Bereich, in dem der Wasserhahn installiert ist. Hier muss sich für die nächste Szene immer wieder das Blut von den Händen gewaschen werden. Und davon gibt es viel im Laufe dieser drei Stunden, in denen Johan Simon das Shakespeare Drama Macbeth mit nur drei Schauspielern inszeniert. Sie wechseln ständig ihre Rollen. Manchmal müssen sie sogar Opfer und Täter gleichzeitig spielen. Denn Jens Harzer ist zwar hauptsächlich Macbeth, aber eben auch König Duncan, den er gleich zu Beginn erdolcht. Marina Galic ist meist seine Frau, Lady Macbeth, aber schlüpft auch in die männlichen Rollen der Freunde und Konkurrenten von Macbeth. Stefan Hunstein ist als Dritter im Bunde eher für die mystischen Seiten des Dramas zuständig. Wenn er gerade nicht eine der Hexen spielt, ist er in der Rolle des verbündeten Zuschauers zugegen.
Erst am Ende erfährt man, was Simons und seinem Team wohl als Motto für den Abend gedient hat: "Das Leben ist ein Märchen, nur von einem Depp erzählt, völlig bedeutungslos“. Man ahnt es schon, wenn sich Harzer zwischendurch bei seinen mörderischen Plänen die Clownsnase aufsetzt. Allzu ernst wird hier nichts genommen. So spielen die Figuren alle ihre Auftritte mit einem durchgängigen ironischen Unterton bzw. Überton. Nie kommt so wirkliche Dramatik zustande. Diese Figuren dort auf der Bühne spielen eine Rolle, sie sind eigentlich keine fühlenden Menschen, sie tun nur so. Und diese Haltung erfährt über die drei Stunden keine Veränderung. Jens Harzer ist von Beginn an ein Getriebener und er bleibt es bis zum Schluss. Jemand anderes zieht die Fäden. Doch hier ist es nicht, wie in anderen Inszenierungen dieses Stückes die Karriere geile Lady Macbeth, sondern ein unsichtbarer Puppenspieler. Das Blut tropft zwar in Mengen aus Edelstahltassen angerührt mit einem Löffel portioniert auf die jeweiligen Opfer, aber auch dies ist unübersehbar nur Show. Rührung oder Berührtsein Fehlanzeige. So konnte man sich ungestört von derartigen Gefühlen, die Nachdenklichkeit hervorrufen würden, ganz dem Genuss des Schauspielfestes auf der Bühne mit seiner enormen Verwandlungskunst in Sekundenschnelle hingeben. Dementsprechend war dann auch das Publikum beim Hamburger Gastspiel völlig begeistert und feierte die Leistung der Darsteller:innen mit Standing Ovations.
Dennoch hatte Johan Simons sehr wohl eine Botschaft bei seiner Inszenierung am Schauspielhaus Bochum im Sinn. Sie blieb aber im wahrsten Sinne ganz im Hintergrund. Auf die Rückwand wurden Bilder aus einer ergrünenden, krabbelnden, scheinbar idyllischen Natur projiziert. Also: Selbst wenn der Mensch sich als Depp erweist und sich selbst in seinem Überlegenheitswahn auslöschen wird, wird die Natur überleben und ohne diese egomanische Mitbewohner zu neuer Schönheit aufblühen.
Birgit Schmalmack vom 24.6.24